Wadephul: Kiew hat oberste Priorität

von Redaktion

Natalia arbeitet für die deutsche Botschaft. © Blank/dpa

Eine russische Rakete zerstörte einen Teil dieses Wohnblocks. Am Montag legen Johann Wadephul (r.) und sein ukrainischer Amtskollege Andrij Sybiha dort Rosen nieder. © Jörg Blank/dpa

Kiew – Es ist noch nicht lange her, dass in diesem Trümmerfeld im Westen Kiews Menschen lebten, Eltern mit ihren Kindern, Alte. Dann kam der 17. Juni. In der Nacht ließ Russland Raketen auf die ukrainische Hauptstadt regnen, eine traf den Wohnblock im Stadtteil Solomjanska. 23 Menschen starben, darunter Kinder, 132 wurden verletzt. Auch Natalia hätte tot sein können.

Die 53-Jährige arbeitet für die deutsche Botschaft in Kiew und als gestern der Außenminister aus Berlin zu Besuch ist, erzählt sie ihm genau, was vor zwei Wochen passierte. Wie sie und ihre Tochter vor den Drohnen und Raketen in einen Schutzraum flüchteten. Wie die Druckwelle des Einschlags ihre Wohnung beschädigte, die genau gegenüber des getroffenen Wohnblocks liegt. Und wie ihr Mann sich, leicht verletzt, in letzter Minute rettete.

Johann Wadephul (CDU) hört aufmerksam zu, legt Blumen dort nieder, wo Natalias Nachbarn starben. Es ist sein Antrittsbesuch in Kiew und das just zu einem Zeitpunkt, da Russlands Truppen das Land erneut heftig attackieren. In der Nacht zu Sonntag meldeten die ukrainischen Luftstreitkräfte Angriffe mit mehr als 500 Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern. „Die Freiheit und Zukunft der Ukraine“, sagt Wadephul unter diesen Eindrücken, „ist die wichtigste Aufgabe unserer Außen- und Sicherheitspolitik.“

In Kiew trifft der Deutsche zunächst seinen ukrainischen Kollegen Andrij Sybiha, später auch Präsident Wolodymyr Selenskyj. Dass er dabei vor allem von hochrangigen Vertretern deutscher Rüstungsunternehmen begleitet wird, ist natürlich kein Zufall. Wadephul will die Zusammenarbeit im Rüstungssektor ankurbeln. Die sei „ein echter Trumpf“, sagt er, und eine „logische Fortsetzung unserer Materiallieferungen“. Beide Länder könnten profitieren.

Man wolle Gemeinschaftsunternehmen in der Rüstungsindustrie aufbauen, „damit die Ukraine selbst schneller und mehr für die eigene Verteidigung produzieren kann“, sagt er. Nachdem zunächst vor allem Waffen geliefert worden waren, benötige man nun vermehrt das Engagement deutscher Unternehmen in dem Land. „Dazu gibt es eine Bereitschaft, aber es müssen manche Hindernisse noch überwunden werden, bürokratische Hindernisse, auch weitere Probleme in der Zusammenarbeit.“

Gleich zu Beginn des Besuchs lässt sich der Minister von seinem Kollegen Sybiha eine Iris-T-Flugabwehrstellung zeigen. Deutschland hat der Ukraine sechs davon geliefert, sie spielen eine wichtige Rolle bei der Luftverteidigung Kiews. Sybiha unterstreicht das, warnt aber auch, die russischen Streitkräfte von heute unterschieden sich von denen des Jahres 2022. „Sie gewinnen an Erfahrung, sie setzen auf dem Schlachtfeld auch neue Technologien“ ein und würden Prototypen testen. Das sei eine Gefahr nicht nur für die Ukraine, sondern für die transatlantische Sicherheit.

Am Abend dankt Selenskyj Deutschland für die Hilfe bei der Stärkung der Flugabwehr. Wichtig sei es nun, bei der gemeinsamen Waffenproduktion voranzukommen, sagte er. In den kommenden Tagen könnten bis zu 20 entsprechende neue Partnerschaften abgeschlossen werden. „Ich glaube, das liegt im beiderseitigen Interesse, dass wir hier enger zusammenarbeiten“, meint auch Wadephul.

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