Kandidat Zohran Mamdani bei der Pride-Parade. © AFP
New York – Die New Yorker Polizeibehörde NYPD verfügt über 30 000 uniformierte Beamte, die jährlich zu einer halben Million Einsätze gerufen werden. Damit könnte bald Schluss sein. Stattdessen würden dann Sozialarbeiter-Teams zu Tatorten ausrücken, um die Ermittlungen zu übernehmen. Gleichzeitig soll es den Behörden der Stadt nicht mehr erlaubt sein, mit der staatlichen Grenzschutzpolizei ICE zu kooperieren. Und endet ein Straftäter doch irgendwie vor einem Haftrichter, darf er auf schnelle Freilassung hoffen: Niemand soll mehr im „Big Apple“ eine Kaution in bar leisten müssen.
Das sind nur drei der zahlreichen spektakulären Positionen, mit denen der 33-jährige Zohran Kwame Mamdani in das Rennen für den Bürgermeisterposten New Yorks zieht. Der Demokrat, der vor sieben Jahren aus Uganda in die USA einwanderte, hat beste Chancen, im Herbst Stadt-Chef Eric Adams zu beerben. Der Muslim Mamdani gewann kürzlich die parteiinternen Vorwahlen (wir berichteten) – und für die republikanische Konkurrenz gibt es in New York gewöhnlich nichts zu holen. Der Erfolg des Bewerbers, der Israel das Existenzrecht abspricht, ist außergewöhnlich. Zwar wählen die New Yorker in der Regel eher liberale Kandidaten, doch die Thesen Mamdanis zeigen den Politiker als radikalen Sozialisten.
Sein Programm liest sich jedenfalls wie ein Leitfaden zur Anarchie. Neben der Abschaffung der Polizei, die in keiner amerikanischen Großstadt nach den Rassenunruhen von 2020 durchgesetzt werden konnte, will Mamdani Drogenbesitz legalisieren, alle Gefängnisse schließen, den Waffenbesitz auch für unbescholtene Bürger verbieten und Lebensmittelgeschäfte unter staatliche Aufsicht stellen, um die Preise zu kontrollieren.
Hinzu kommen weitere Positionen, die auf die Sympathien von Aktivisten am ultra-linken Spektrum abzielen: Wer zum Doktor muss, soll künftig keine Rechnung mehr bezahlen. Private Krankenversicherungen will er abschaffen. Für Drogensüchtige hat Mamdani die Vision von staatlich finanzierten Räumen, in denen sich die Abhängigen mit frischen Spritzen einen Schuss setzen können. Und dann soll New York auch noch zum Mekka für Transsexuelle werden, die sich dort ohne gesetzliche Hindernisse umoperieren lassen können.
Massive Folgen könnte der absehbare Mamdani-Sieg auch für die Wohnungskrise in der Stadt haben. In New York, wo kleinste Einzimmer-Apartments in der Regel für mindestens 1500 Euro zur Miete angeboten werden, ist günstiger Wohnraum eine Rarität. Mamdani plant nicht nur Mietpreis-Begrenzungen, sondern auch massive Steuererhöhungen für jene, die ihr Geld in vermietete Immobilien angelegt haben. Maklerorganisationen fürchten nun eine starke Abwanderung von Investoren – und einen Verfall von Mietbauten, weil den Eigentümern bald das Geld für Instandhaltung fehle.
Warum angesichts dieser Programmatik so viele New Yorker bei den Vorwahlen für Mamdani gestimmt haben, ist für politische Beobachter ein Rätsel. Manche sehen ein Protest-Phänomen gegen Donald Trump, der in New York aufwuchs. Für Republikaner ist der Erfolg Mamdanis jedenfalls ein gefundenes Fressen, was die Kongress-Zwischenwahlen in 2026 angeht. Es falle nun leicht, die Opposition als extrem und ohne Sinn für die Bedürfnisse der Mittelklasse darzustellen, heißt es in Washington.FRIEDEMANN DIEDERICHS