In Warschau war die Erleichterung groß, als Friedrich Merz zum Kanzler gewählt wurde. Nach dem frostigen Verhältnis zwischen Scholz und Tusk gab es endlich wieder Hoffnung für eine deutsch-polnische Freundschaft. Polens Frust über den Friedenskanzler war so groß, dass Deutschland nicht mal mehr zu wichtigen Ukraine-Formaten eingeladen wurde. Dass Merz am ersten Amtstag nach Paris und Warschau reiste, wurde als Signal gewertet: eine Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks?
Schön wär’s. So einig sich Berlin und Warschau in ihrer Ukraine-Politik auch geworden sind – in Sachen Migration ziehen sie nicht an einem Strang. Dass Polen ab Montag Grenzkontrollen zur deutschen Seite einführt, ist ein Zeichen des Misstrauens. Tusk hatte sich lange gegen Dobrindts Zurückweisungen an der Grenze gewehrt – jetzt folgt die Retourkutsche. Befürchtet wird nun ein endloses Pingpong-Spiel: Deutschland weist Migranten zurück, Polen will sie nicht aufnehmen.
Tusk steht innenpolitisch unter starkem Druck, seit die PiS die Präsidentschaftswahl gewonnen hat. Im Wahlkampf beschwor sie das alte Feindbild des deutschen Nachbarn. Angeblich schiebe Berlin regelmäßig Migranten auf die polnische Seite. Ähnlich geht es der schwarz-roten Koalition, die der AfD Wind aus den Segeln nehmen will. Nun handelt jeder für sich – dabei hätten beide von einer gemeinsamen Lösung profitiert. Die Leidtragenden sind jene, die auf offene Binnengrenzen angewiesen sind – weil sie jeden Tag zur Arbeit über die Grenze pendeln.KATHRIN.BRAUN@OVB.NET