Söders heikle Visite in Brüssel

von Redaktion

Höfliche Geste, teils schroffe Worte: Markus Söder begrüßt Ursula von der Leyen in Bayerns Brüsseler Vertretung. © cd

Brüssel – Es gibt Küsschen in der flirrenden Sommerhitze, freundliche Dankesfloskeln und demonstratives Duzen: Betont herzlich begrüßen sich Ursula von der Leyen und Markus Söder, ganz so, als wären sie alte Freunde. Sind sie nicht, tut hier aber nichts zur Sache: Söders Bayern, in Mannschaftsstärke nach Brüssel gereist, werden in der EU-Hauptstadt respektvoll und auf höchster Ebene empfangen.

Sieben Jahre lang tagte Bayerns Kabinett nicht mehr in Brüssel. Man raunt hier: Wurde Zeit, andere Länder kommen jährlich. Weil die EU gerade die für Bayerns Wirtschaft existenziell wichtigen Zölle verhandelt und weil Brüssel mit Milliardenprogrammen für „Giga-Fabriken“ zu Künstlicher Intelligenz und für Fusionsreaktoren winkt und Standorte sucht, ist der Zeitpunkt der Reise nicht schlecht. Wer viel raushandeln will – und das ist aktuell sehr wichtig für die Landespolitik –, sollte im EU-Zentrum präsent sein.

Söders Bayern kommen, wie üblich, mit eher großer Geste. Ehe er in München die fürs Kabinett gecharterte Propellermaschine besteigt, teilt er schon Ratschläge aus. Er bringt ein 100-Punkte-Programm zum Bürokratieabbau mit, 70 Seiten dick und sehr detailliert. Und von der Leyen, deren wichtigste Unterhändler ab heute in Washington einen Zoll-Deal suchen, erhält von Söder Hilfe, wie mit der US-Administration bitte zu verhandeln sei. „Quick & easy“, schnell und unkompliziert: „Keine endlosen Zollverhandlungen, sonst wird es für unsere Industrie ganz schwierig werden.“ Söder rät, eilig Lösungen für die großen Brocken Auto, Maschinenbau, Chemie durchzubringen.

Nicht jeder in Brüssel sieht sofort ein, ohne Söders Rat nicht über die Runden zu kommen. Von der Leyen, die 45 Minuten der bayerischen Kabinettssitzung beiwohnt, bleibt in ihren Aussagen völlig unverbindlich. Sie lobt Bayern, lässt hohe Sympathie für die Bewerbungen um KI-Fabrik und Fusionsreaktor erkennen, sagt aber nichts zu. Nachfragen geht sie aus dem Weg. Hinter den Kulissen wird es spitzer. Von Söder wird der Satz an von der Leyen überliefert, beim Bürokratie-Aufbau setze die EU leider „ihre Innovationskraft an der falschen Stelle ein“. Und als sie weg ist, lässt er sogar giftige Pfeile los. Die EU solle „nicht ständig Landwirte und andere drangsalieren“, sagt er unter anderem. Und wie wichtig ein „Richtungswechsel in Europa“ sei, etwa pro Verbrenner.

Der spannendere Termin auf dieser Reise läuft diskreter. Auf halbem Weg zum Flughafen legt Söder einen Zwischenstopp im Nato-Quartier ein, trifft kurz Generalsekretär Mark Rutte. Natürlich geht es um Verteidigungspolitik, Rüstung, die von der CSU erwünschte Wehrpflicht – aber auch um ein konkretes Problem. Das „George Marshall Center“ in Garmisch-Partenkirchen ist offenbar akut bedroht. Die USA, die sich mit dem Bund die Kosten für die weltweit einzigartige transatlantische Sicherheitsakademie teilen, hinterfragen ihr Engagement. Söder versucht, die Trägerschaft neu aufzustellen, falls es so weit kommt.

Er wolle „unbedingt, dass große Institute wie das Marshall Center“ erhalten bleiben, auch wenn die Amerikaner ihre Finanzierung überdenken, sagt er. Er fragt bei Rutte an, „ob die Nato vielleicht mit einsteigt“. Dann würde auch der Freistaat mit reingehen, sagt der Ministerpräsident. „Wir wollen alles, was der Sicherheit dient, in Bayern stärken.“

Das Marshall-Center, 1993 in den US-Kasernen vor Ort gegründet, gilt als eine Säule des transatlantischen Verhältnisses. 240 Mitarbeiter, darunter 33 Professoren, sind dort angedockt. Es dürfte um eine zweistellige Millionensumme gehen, falls die USA aussteigen – was offiziell niemand bisher ausgesprochen hat, wofür sich aber vor Ort die Indizien häufen. Bisher sind keine Zusagen über 2026 hinaus bekannt. Rutte sagt laut Söder zumindest einen Besuch in Bayern und weitere Gespräche zu.

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