US-Blockade bringt Ukraine ans Limit

von Redaktion

Russland überzieht die Ukraine seit Wochen mit Drohnen. Die ukrainische Luftabwehr kommt zunehmend an ihre Grenzen – wie in der Region Donezk. © dpa

Washington/Kiew – In der Nacht zum Dienstag ist die Ukraine einmal mehr zum Ziel schwerer russischer Angriffe aus der Luft geworden. 114 Drohnen und vier umfunktionierte Raketen des Flugabwehrsystems S-300 feuerten russische Truppen ab. Einschläge gab es in den Regionen Charkiw, Cherson, Dnipropetrowsk und Donezk.

Seit Wochen versucht das russische Militär, die Flugabwehr der Ukrainer zu überlasten. Mehrfach die Woche werden in großen Wellen Raketen und Drohnen gegen das Nachbarland geschickt. In einigen Nächten weit über 400. In der Hauptstadt Kiew wurden so allein im Juni mehr als 40 Menschen getötet. Weil die Flugabwehrsysteme für eine Abdeckung der Fläche nicht ausreichen, ist die ukrainische Flugabwehr gezwungen, die vorhandenen Systeme in den Städten zu konzentrieren.

Unter diesen Umständen ist die Nachricht des teilweisen Lieferstopps, die Kiew nun aus den USA erreichte, umso bitterer. Betroffen seien Raketen und Munition, berichteten „Politico“ und NBC News unter Berufung auf Verteidigungsbeamte und Kongressmitglieder. Hintergrund der Entscheidung aus dem Pentagon ist demnach die Sorge vor zu geringen US-Waffenbeständen.

Das Weiße Haus bestätigte keine Details. In einem Statement der stellvertretenden Sprecherin des Weißen Hauses, Anna Kelly, hieß es aber: „Diese Entscheidung wurde getroffen, um die Interessen Amerikas in den Vordergrund zu stellen, nachdem das Verteidigungsministerium die militärische Unterstützung und Hilfe unserer Nation für andere Länder auf der ganzen Welt überprüft hatte.“ Ganz nach der Linie von Donald Trumps „America First“-Kurs also.

Unter den vorenthaltenen Waffensystemen sind NBC News zufolge auch dutzende Patriot-Raketen, die der Ukraine noch vom ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden zugesagt wurden. Diese braucht das Land dringend für die Abwehr russischer Luftangriffe. Zuletzt hatten US-Medien die Vorräte für die über 30 Patriot-Startgeräte auf unter 200 Abfangraketen geschätzt. Zu Bidens Amtszeit hatten die USA der Ukraine Militärhilfen im Wert von über 60 Milliarden Dollar (rund 51 Milliarden Euro) geliefert.

Jetzt rückt für die Ukraine die Hilfe aus Europa in den Fokus. Dem Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel zufolge haben die Europäer die USA bereits beim Umfang der Militärhilfe überholt. „Zum ersten Mal seit Juni 2022 hat Europa damit die USA bei der gesamten Militärhilfe übertroffen, mit insgesamt 72 Mrd. gegenüber 65 Mrd. Euro aus den Vereinigten Staaten“, hieß es Mitte Juni vom IfW. Demnach müsste Europa jährlich 82 Milliarden Euro stemmen, um das Unterstützungsniveau für Kiew aufrechtzuerhalten.

Gerade auf Deutschland kommt es unter Umständen an. Berlin hat neben den US-Patriot-Systemen aus dem Bundeswehrbestand auch die Eigenproduktion Iris-T an Kiew übergeben. Laut Bundesregierung stehen inzwischen sechs solcher Systeme in der Ukraine. Diese haben sich beim Schutz von Städten bewährt.

Allerdings haben sie ihre Beschränkungen. Sie sind auf kurze und mittlere Entfernungen ausgelegt. Für die Abwehr von Drohnen sind zudem auch die von Deutschland gelieferten Flugabwehrkanonenpanzer Gepard geeignet.

In Kiew wurde John Ginkel, der stellvertretende Leiter der US-Botschaft, ins Außenministerium einbestellt. Die ukrainische Vizeaußenministerin Marjana Bez betonte, dass jede Verzögerung der Waffenhilfen Russland nur dazu anhalte, weiter auf Krieg und Terror zu setzen, statt Frieden zu suchen. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in seiner abendlichen Videobotschaft, sein Land und die USA verhandelten weiter über die Waffenhilfe. Auf Arbeitsebene würden derzeit Details geklärt.

Moskau reagierte hingegen erfreut. Die Entscheidung hänge wohl mit den leeren Waffenarsenalen in den USA zusammen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. „Je weniger Waffen die Ukraine bekommt, desto näher ist das Ende der militärischen Spezialoperation“, sagte er.DPA

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