„If you have trouble – travel“, lautet ein alter englischer Tipp für Manager. Wenn‘s daheim nicht läuft, geh auf Geschäftsreisen. So hat es auch Friedrich Merz in den ersten acht Wochen seiner Amtszeit gehalten, ließ sich in Brüssel und Washington ausgiebig feiern. Prompt endete für den Kanzler nun schon der erste wichtige Auftritt nach seiner Rückkehr in die Heimat mit einer Bauchlandung. Die Stromsteuersenkung für alle, die Merz für so wichtig hielt, dass er sie im Wahlkampf auf Platz eins seines 100-Tage-Sofortprogramms platzierte, kommt nun doch nicht. Versprochen, gebrochen. Dabei hatte er noch am Vorabend des Koalitionsausschusses Optimismus verbreitet. Nun heißt es entschuldigend, die SPD habe sich nicht bewegt.
Auch wenn Merz jetzt die Bedeutung der Stromsteuer-Entlastung kleinzureden versucht: Viele Bürger und kleinere Gewerbetreibende sehen sich geprellt. Bei den Leuten kommt die Botschaft an, dass der Kanzler in seiner noch kurzen Amtszeit bereits ein zweites Mal wortbrüchig geworden ist. Schon der plötzliche 180-Grad-Schwenk bei der Schuldenbremse, kaum dass der CDU-Chef die unglückliche FDP aus dem Bundestag gedrängt hatte, verstörte viele Unionsanhänger. Und jetzt noch das.
Noch in zweiter Hinsicht ist das Signal dieses Koalitionsausschusses hochproblematisch: Merz sieht sich offenbar gezwungen, seinen in der SPD gefährlich wankenden Koalitionspartner Lars Klingbeil zu stützen, indem er Forderungen der Genossen weit entgegenkommt, zum großen Ärger der Unionswähler. So gibt sich die SPD, angeführt von Arbeitsministerin Bärbel Bas, beim Bürgergeld knüppelhart. Schon murren wichtige CDU-Granden wie NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Fraktionschef Jens Spahn über den Kurs des Chefs. Nur einer ist auffällig guter Dinge: CSU-Chef Markus Söder. Er hat durchgesetzt, dass das Münchner Lieblingsprojekt Mütterrente sogar noch ein Jahr früher eingeführt wird. Doch auch sie kommt auf Kosten der Glaubwürdigkeit von Friedrich Merz. Söder ist‘s egal. Der plötzlich erschlankte Bayernregent hat seinen eigenen Kanzlertraum noch immer nicht aufgegeben. GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET