„Vertrauen gerät ins Wanken“

von Redaktion

Klingbeil und Merz bleiben hart: Bei der Stromsteuer wird es vorerst keine Senkungen für Privathaushalte geben. © SINGER/EPA

Berlin – Die Stromsteuer soll vorerst für Verbraucher nicht so stark gesenkt werden wie ursprünglich versprochen. Eine entsprechende Einigung erzielten die Spitzen von Union und SPD im Koalitionsausschuss nicht. Im Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Rot noch versichert: „Für schnelle Entlastungen um mindestens fünf Cent pro kWh (Kilowattstunde) werden wir in einem ersten Schritt die Stromsteuer für alle so schnell wie möglich auf das europäische Mindestmaß senken und die Übertragungsnetzentgelte reduzieren.“

Nun soll die Stromsteuer nach Angaben von CSU-Chef Markus Söder für Verbraucher jedoch erst übernächstes Jahr gesenkt werden. Von 2027 an solle „für alle“ das europäische Mindestmaß gelten, berichtete Söder am Donnerstag.

Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, sprach von einem „fatalen Signal“. Gerade in Zeiten hoher Lebenshaltungskosten bräuchten Verbraucher spürbare Entlastungen, sagte sie. Wie es in einem Ergebnispapier nach fünfstündigen Beratungen bei Kanzler Friedrich Merz (CDU) heißt, sollen weitere Entlastungsschritte für Verbraucher zwar folgen, die Koalitionäre nennen aber eine entscheidende Einschränkung: Finanzielle Spielräume müssten bestehen.

Aus der Wirtschaft kam am Donnerstag scharfe Kritik an der vorerst ausbleibenden Absenkung der Stromsteuer für alle. Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, sprach von einem „fatalen Signal an die Wirtschaft zur falschen Zeit“. Weitere Verbände warfen der Bundesregierung Wortbruch vor.

„Mit der Entscheidung des Koalitionsausschusses, die Stromsteuer nicht für alle als entlastende Maßnahme zu senken, bricht die Regierungskoalition ihr Versprechen“, erklärte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich. „Gerade viele Handwerksbetriebe – insbesondere solche in energieintensiven Gewerken – haben auf diese Zusage vertraut, sie in ihre Planungen einbezogen und darauf basierend unternehmerische Entscheidungen getroffen.“

Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), beklagte eine Ungleichbehandlung. „Alle nicht-industriellen Branchen, darunter auch der Großhandel, eine der umsatzstärksten Wirtschaftsstufen Deutschlands, bleiben bei den Entlastungen größtenteils außen vor“, erklärte er. „Dabei macht bei Unternehmen mit Kühllogistik der Strom einen exorbitanten Teil der Kosten aus.“

„Für überflüssige Rentengeschenke gibt es genug Geld“, führte Jandura aus. Der Koalitionsausschuss hatte sich am Mittwochabend darauf verständigt, die geplante Ausweitung der Mütterrente um ein Jahr vorzuziehen. „Wenn zentrale, mehrfach zugesagte Entlastungen nicht kommen, während gleichzeitig teure politische Projekte umgesetzt werden, gerät bei den Betrieben das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit politischen Handelns insgesamt ins Wanken“, kritisierte auch Dittrich.

Auch der CDU-Arbeitnehmerflügel übte Kritik: „Es gibt hier die Erwartung, dass das geliefert wird, was bestellt und zugesagt wurde“, sagte deren Vorsitzender Dennis Radtke der „Welt“. Aus der Opposition kamen schärfere Worte: Als „schlechtes Signal“ und „gebrochenes Wahlversprechen der CDU und CSU“ wertete Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann die Stromsteuerdebatte. Die Koalition setze auch inhaltlich „falsche Akzente“, kritisierte sie und nannte etwa die Förderung von Gas und die Ausweitung der Mütterrente.

Die SPD-Spitze verwies zur Verteidigung darauf, dass es weiterhin das Ziel der Regierung sei, die Verbraucher zu entlasten. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) erklärte, die Koalition setze mit ihren Maßnahmen „auf neues Wachstum, damit die Einnahmen wieder steigen und wir genau diese Spielräume gewinnen“. Kanzler Merz äußerte sich am Donnerstag nicht konkret zur Stromsteuer, sondern verwies in einer Rede grundsätzlich auf das Ziel der Regierung, die Energiekosten zu senken. Zudem lobte er die Zusammenarbeit der Regierungsparteien im Koalitionsausschuss.

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