Auch der heutige Kanzler war schon oben: Friedrich Merz besucht Alexander Dobrindt 2022 auf der Zugspitze. © CHRISTOF STACHE/afp
Valencia-Süd – Im Polit-Leben des Alexander Dobrindt gibt es keinen Ort, der wichtiger wäre als die Zugspitze. Vor 20 Jahren schmiedete er dort oben mit jungen Parteifreunden einen Pakt, sich gegenseitig auf der Karriereleiter zu helfen. Der Bund hält, alle seine Mitglieder schafften es spätestens mit der letzten Regierungsbildung in hohe Ämter. Auf die Zugspitze lud er seither auch immer dann zu Treffen, wenn es um Heikles oder Symbolisches ging: Kanzler, Kandidaten, Staatschefs setzte er schon in die Seilbahn. Jetzt wieder, denn es ist wichtig: Auf 2962 Metern plant Dobrindt einen großen europäischen Asylgipfel.
Für 18. Juli sind die Innenminister von Frankreich, Dänemark, Polen, Österreich und Tschechien auf die Zugspitze (übrigens Dobrindts Wahlkreis) geladen, dazu EU-Migrationskommissar Magnus Brunner, ein konservativer Österreicher. Plan: Geas schärfen, also das gemeinsame europäische Asylsystem. Die Gipfelgäste sollen sich in Brüssel für schnellere und härtere Lösungen bei Grenzschutz, Rückführungszentren und Drittstaaten-Abkommen einsetzen. „Politico“ berichtet, dass die Runde das sogenannte Verbindungselement wieder streichen will. Es besagt, dass Ausländer nicht ohne Weiteres in Drittstaaten abgeschoben werden können, sondern nur in Länder, zu denen sie einen konkreten Bezug haben, etwa über die Familie. Fällt das, wäre zum Beispiel ein Ruanda- oder Albanien-Modell mit Asylzentren dort denkbar.
„Vom Zugspitzgipfel wird das klare Signal ausgehen: Deutschland ist nicht mehr Bremser, sondern Gestalter einer schärferen Migrationspolitik in Europa“, sagte Dobrindt unserer Zeitung. Er will das Zeichen setzen, dass die Asylwende kein nationaler Alleingang, sondern ein europaweites Projekt sei. „Es braucht in der europäischen Migrationspolitik jetzt Ordnung statt Ohnmacht, Kontrolle statt Chaos, Kooperation statt Konfrontation.“
Auf der Zugspitze knüpft Dobrindt damit eine Art Sicherheitsnetz, falls seine Grenz-Zurückweisungen nicht halten, juristisch oder politisch. Parallel dazu treibt der CSU-Politiker den nächsten wichtigen Schritt seiner Asylwende voran: Abschiebungen nach Afghanistan (vielleicht auch bald Syrien). „Mir schwebt vor, dass wir direkt mit Afghanistan Vereinbarungen treffen, um Rückführungen zu ermöglichen“, sagte er diese Woche. Also: Deals mit den Taliban.
In der Koalition rumpelt es deshalb. Den zweiten Tag in Folge melden sich besorgte SPD-Politiker zu Wort. Bisher redet Deutschland nur indirekt mit den Taliban. Das sei eine Terrororganisation, der man dadurch vielleicht Legitimität verschaffe, erinnert der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler. Dobrindt plane den „Ritt auf der Rasierklinge“. Unter SPD-Kanzler Scholz hatte es nur sehr wenige Afghanistan-Abschiebungen gegeben, 2024 startete ein Flug mit 28 verurteilten Straftätern von Leipzig nach Kabul; sie erhielten damals laut „Spiegel“ je 1000 Euro Handgeld. Die Sozialdemokraten (und Grüne und Linke) sehen sich in ihren Bedenken unterstützt vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, das vor Afghanistan-Abschiebungen warnt. Die Bedingungen vor Ort seien noch nicht für Rückführungen geeignet, sagte Arafat Jamal, der UNHCR-Vertreter in Kabul. Die Taliban-Regierung, die seit Sommer 2021 wieder das Land beherrscht, ist international nicht anerkannt. Einzig Russland rang sich (jüngst gestern) zur diplomatischen Anerkennung durch.
In Zahlen geht es laut „RND“ um 11 423 ausreisepflichtige Afghanen, darunter 1821 ohne Duldung. Wichtiger als die Zahl ist der Union wohl auch hier das Symbol. Aus der CSU kommt deshalb klare Rückendeckung, namentlich vom Vorvorgänger im Innenministerium. „Dobrindt liegt richtig“, sagt Horst Seehofer unserer Zeitung. „Rückführung ohne Herkunftsstaat ist Illusion.“ Er lobt den Kurs insgesamt. Die Politik des neuen Innenministers sei „ursächlich, dass sich die Union wieder in Umfragen nach oben bewegt“. CD/GEO