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Jeff Bezos heiratet in Venedig

von Redaktion

Fürstenhochzeiten waren immer große Ereignisse vor allem dann, wenn auch das gemeine Volk auf seine Art daran teilhaben konnte. Es wird berichtet, dass bei der Landshuter Hochzeit vor 500 Jahren zwischen Georg, dem Sohn des bayerischen Herzogs, mit Hedwig, der Tochter des polnischen Königs, zehntausend Gäste tranken, tanzten und sich beim Reitturnier vergnügten. Die Stadt Landshut ist stolz, heute noch alle vier Jahre diese Landshuter Hochzeit nachfeiern zu können. Aus der Hochzeit zwischen dem bayerischen Kronprinzen, späteren König Ludwig I., mit Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen im Jahre 1810 ist immerhin das Oktoberfest hervorgegangen.

Aber sind solche, weit in der Geschichte zurückliegenden Veranstaltungen heute noch zeitgemäß?

Was früher die Fürsten waren, sind heute die Milliardäre vom Schlage eines Jeff Bezos. Die Hochzeit des Amazon-Gründers mit der Moderatorin Lauren Sánchez in Venedig am vergangenen Wochenende war das Ereignis des Jahres. 40 bis 50 Millionen Dollar soll die extravagante Show gekostet haben, für die Teile von Venedig gesperrt wurden. Wer dagegen protestiert bis nach Hollywood, ist vielleicht beleidigt, dass er nicht zu den 200 geladenen Promi-Gästen gehörte. Oder er kann die soziale Ungerechtigkeit nicht ertragen, die besonders das digitale Zeitalter hervorgebracht hat mit steinreichen Gründerunternehmern wie Bezos. Vergebens weist der darauf hin, wie viel Geld für vernünftige und soziale Zwecke er in der Lagunen-Stadt gelassen hat.

Diese Hochzeit ein „Fest“ oder gar eine „Veranstaltung“ zu nennen, wäre eine Untertreibung. Heute heißt so etwas ein „Event“ und in diesem Fall ein „Groß-Event“.

Der Ausdruck „Event“ ist von seiner Wurzel her aber frisch geprägtes Latein. Er stammt nämlich aus dem Verb „evenire“ und bedeutet „herauskommen“. Ein Event also ist ein Ereignis, bei dem jemand völlig aus dem Alltäglichen heraustritt.

Wie früher schon aus dem Verb advenire „ankommen“ der „Advent“ hervorging und aus dem Verb convenire „zusammenkommen“ der „Convent“, so ist hier nun der „Event“ als Hauptwort geboren. Die Römer hatten dazu das lateinische Substantiv „Eventus“. Das zielt voller Vorsicht auf den Ausgang, der glücklich oder unglücklich sein konnte.

Um das im Vorfeld herauszufinden, suchten die römischen Wahrsager nach allerlei göttlichen „Vorzeichen“. Eine besondere Rolle spielte dabei der Vogelflug, der vor dem Event zu deuten war. Da kam es darauf an, welche Vögel von links oder von rechts her über welche Himmelquartiere flogen.

Ob die Ehe der in Venedig Frischgetrauten am Ende glücklich oder unglücklich verlaufen wird, hätten also die Römer danach gedeutet, wie die berühmten Tauben vom Markusplatz am Tage der Hochzeit geflogen sind. Uns bleibt dagegen nur, dem Brautpaar, wie allen Liebenden, Glück für ihre Verbindung zu wünschen. Reichtum mag für manche schön und beruhigend sein. Das Glück aber lässt sich bekanntlich nicht kaufen – gottlob.

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