Selbst russische Zerstörungswut lässt sich noch steigern. Mitte Juni berichtete Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko von 1100 bombardierten Häusern in seiner Stadt – inzwischen sind es doppelt so viele. In dreieinhalb Wochen richteten Moskaus Truppen den gleichen Schaden in der Hauptstadt an wie zuvor in fast dreieinhalb Jahren. Während im Westen noch immer Debatten über den Sinn einer diplomatischen Annäherung an Russland geführt werden, zeigt Wladimir Putin mit grausamer Deutlichkeit, wie sinnlos eine solche Initiative längst ist.
Putins Kalkül besteht darin, seine Gegner an zwei Fronten zu zermürben. Zum einen setzt er auf die Erschöpfung des Westens. Darauf, dass die Öffentlichkeit abstumpft vor lauter Schreckensmeldungen und sich an das Grundrauschen der Gräueltaten gewöhnt. Fatalerweise droht diese Rechnung aufzugehen. Viele nehmen den Krieg nur noch dann in seiner ganzen Tragik wahr, wenn die russischen Schläge besonders hart und verheerend sind wie in den vergangenen Tagen.
Zum anderen strapaziert Moskau die ukrainischen Mittel, vor allem die Luftabwehr, bis zum Zerreißen. Die Schwärme aus Hunderten von Drohnen, zum Teil Attrappen, haben neben der Zermürbung der Zivilbevölkerung vor allem das Ziel, das Arsenal Kiews zu reduzieren. Putin spielt dabei auf Zeit. Wenn er nur lange genug bombardieren lässt, denkt er sich, erlischt die ukrainische Gegenwehr allein schon aus Mangel an Munition. Da wundert es nicht, wenn sich im Kreml Siegesgewissheit breitmacht.
Seine grausame Taktik kann Putin nur deshalb so unnachgiebig verfolgen, weil die USA, jahrelang stärkster Unterstützer der Ukraine, ihn gewähren lassen. Donald Trump, sonst ein Mann mit ultrakurzer Aufmerksamkeitsspanne, hat beim Kremlchef schmerzhaft große Geduld bewiesen. Dass er die nun verloren zu haben scheint, muss nichts heißen. Trump ist vor allem ein Mann des Wortes („Bullshit“), weniger der Tat. Die muss er nun aber folgen lassen und zwar schnell. Nur dann kann die Ukraine hoffen, dass Putin doch noch umdenken muss. Marc.Beyer@ovb.net