Umstritten: Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf. © dpa
Berlin – Mit Unbehagen blicken zahlreiche Christen und Politiker der Union heute nach Berlin. Im Bundestag sollen drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht gewählt werden. Eine Personalie sorgt für heftige Diskussionen: Die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf war in der Vergangenheit mit Positionen zum Lebensschutz und zur Abtreibung auf Widerspruch gestoßen.
So war die Juristin auch stellvertretende Koordinatorin in einer von der Ampelregierung eingerichteten Kommission gewesen, die eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts prüfen sollte. Ziel war, den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Dazu war es nicht mehr gekommen. Die katholischen Bischöfe hatten immer wieder argumentiert, dass der nach heftigen Auseinandersetzungen errungene Kompromiss mit der Beratungsregelung nicht aufgegeben werden dürfe.
An Brosius-Gersdorf scheiden sich nun die Geister. Die Juristin soll unter anderem erklärt haben, es gebe gute Gründe dafür, dass die volle Garantie der Menschenwürde erst ab der Geburt gelte. „Wer die Ansicht vertritt, dass der Embryo im Mutterleib noch keine Würde und nur ein geringeres Lebensrecht habe als der Mensch nach der Geburt, vollzieht einen radikalen Angriff auf die Fundamente unserer Verfassung“, empörten sich Bischof Rudolf Vorderholzer (Regensburg) und sein Amtsbruder Stefan Oster (Passau).
Auch der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, hat seine Sorge über die anstehende Wahl geäußert. Wenn ein nach Entwicklungsstufe und Lebensfähigkeit des Menschen abgestuftes Lebensschutzkonzept vertreten werde und die Menschenwürde des ungeborenen Lebens infrage gestellt werde, „bedeutet diese einen verfassungsrechtlichen Paradigmenwechsel“. Bedenken hat auch der CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek: Er halte manche Aussagen der Juristin für „schwierig“.
Die Situation ist schwierig: Für die Wahl der Richter ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erforderlich. Dazu reichen der Bundesregierung nicht einmal die zusätzlichen Stimmen der Grünen. Um den Unionskandidaten Günter Sinner (bisher Richter am Bundesarbeitsgericht) durchzusetzen, muss die Union Kompromisse in Richtung der SPD eingehen. Doch der wachsende Widerstand gegen Brosius-Gersdorf aus den eigenen Reihen und dem katholischen Lager hat Bundeskanzler Friedrich Merz alarmiert: Gestern Abend noch beriet er sich mit Fraktionschef Jens Spahn. Heute um 8 Uhr ist eine Fraktionssitzung anberaumt. Um 9 Uhr beginnt die Richterwahl. Es wird sehr spannend. CLAUDIA MÖLLERS