Metrostation als Bunker: Menschen ruhen sich während eines russischen Angriffs auf die ukrainische Hauptstadt Kiew am Donnerstagmorgen aus. © Lukatsky/dpa
München/Kiew – Seit Wochen erhöht Wladimir Putin massiv den militärischen Druck auf die Ukraine. Offenbar rechnet der russische Präsident mit dem Zusammenbruch der ukrainischen Verteidigungslinien in den kommenden Monaten – und hat deshalb keinerlei Ambitionen, sich auf eine Verhandlungslösung einzulassen. Die „New York Times“ zitiert dem Kreml nahestehende Kreise, wonach die Möglichkeit neuer US-Sanktionen gegen Russland oder US-Waffenlieferungen eingepreist seien.
Nach sechs Telefonaten mit Putin scheint inzwischen auch US-Präsident Donald Trump verstanden zu haben, dass seine Hoffnung, den Krieg schnell zu beenden, trotz aller Zugeständnisse an den Kreml gescheitert ist. „Wir bekommen eine Menge Bullshit von Putin“, sagte Trump frustriert. Zwar sei der russische Präsident stets freundlich, „aber es stellt sich als bedeutungslos heraus“.
Laut „Wall Street Journal“ erwägt Trump nun sogar, ein Patriot-Abwehrsystem in die Ukraine zu schicken. Es wäre die erste eigene Waffenlieferung an Kiew seit seinem Amtsantritt. Zudem will der Republikaner das Sanktionspaket gegen Russland, das seit April im US-Senat liegt, absegnen.
Putin spottet seinerseits über Trump: „Das echte Leben ist immer komplizierter als die Vorstellung davon“, sagte er über Trumps Friedenshoffnung. Kreml-Sprecher Peskow spielte die zornige Worte des Amerikaners herunter: Der US-Präsident pflege ja generell eine „ziemlich harte Wortwahl“: „Wir nehmen das gelassen.“
Die immer stärker werdenden Luftangriffe scheinen zu bestätigen, dass Putin jetzt die totale Kapitulation der Ukraine herbeibomben will – auch durch gnadenlose Angriffe auf zivile Ziele. Die Zahl der getöteten und verletzten Zivilisten hat nach UN-Angaben im Juni ihren Höchststand seit Kriegsbeginn vor fast dreieinhalb Jahren erreicht. Mindestens 232 Zivilisten seien in dem Monat getötet, 1343 verletzt worden.
In der Nacht zum Donnerstag griff Russland offenbar mit rund 400 Drohnen und 18 Raketen an. „Das ist eindeutig eine Eskalation des Terrors seitens Russlands“, erklärte der ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. In Kiew wurden mindestens zwei Menschen getötet und 13 weitere verletzt. In der Nacht zuvor hatte Russland die Ukraine mit den schwersten Luftangriffen seit Kriegsbeginn überzogen.
Die Eskalation überschattet auch die Wiederaufbaukonferenz der Ukraine-Unterstützer in Rom. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte dort, Berlin werde den USA Patriot-Luftverteidigungssysteme abkaufen und sie an Kiew weitergeben. Selenskyj sagte wenig später, es handele sich um zwei Systeme. „Deutschland ist bereit – wir haben eine Vereinbarung – zwei Systeme zu bezahlen“, sagte er. Norwegen zahle ein weiteres. Auch US-Außenminister Marco Rubio nahm die Europäer in die Pflicht, Kiew Patriots zu liefern. Die EU kündigte zudem ein neues Finanzpaket für Kiew in Höhe von 2,3 Milliarden Euro an.
Parallel erklärten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Großbritanniens Premier Keir Starmer, der Plan zur Sicherung einer Waffenruhe sei fertig. Er könne binnen Stunden nach Inkrafttreten eines Waffenstillstands umgesetzt werden, sagte Macron. Die Koalition bestehe aus 30 Ländern, hunderte Soldaten seien mobilisiert, ein Generalstab werde aufgebaut. Macron und Starmer wissen allerdings auch: Derzeit scheint ein solcher Waffenstillstand völlig unrealistisch. MIT DPA/AFP