Bilder der Verwüstung: Die Absturzstelle im indischen Ahmedabad. © Solanki/dpa
Neu-Delhi – Der Absturz des Air-India-Flugzeugs mit 260 Toten vor einem Monat ist offenbar auf eine unterbrochene Treibstoffzufuhr zurückzuführen. Die Regler für die Kraftstoffzufuhr der beiden Triebwerke seien unmittelbar nach dem Start fast gleichzeitig auf die Position „abgeschaltet“ gesprungen, heißt es in einem vorläufigen Bericht der indischen Behörde für Flugunfall-Untersuchung. Im Cockpit gab es einen Wortwechsel darüber, warum die Schalter plötzlich geschlossen waren. Die Untersuchung nennt keinen Grund.
Dem Bericht zufolge kam es kurz nach dem Start zu einem plötzlichen Schubverlust, und die Boeing 787 Dreamliner verlor an Höhe. Auf dem geborgenen Stimmenrekorder des Flugzeugs sei im Cockpit zu hören gewesen, wie einer der Piloten den anderen gefragt habe, warum er den Kraftstoffschalter umgelegt habe, heißt es. „Der andere Pilot antwortete, er habe das nicht getan.“ Welche der Aussagen vom Flugkapitän kam und welche vom Ersten Offizier, blieb unklar.
Luftfahrtexperte Graham Braithwaite von der Cranfield University sagte der britischen BBC, solche Treibstoff-Regler könnten nicht leicht abgeschaltet werden. Es handle sich um „wirklich wichtige Schalter“, die davor geschützt seien, dass jemand sie versehentlich berühre. Wenn ein Pilot einen solchen Schalter betätigen wolle, müsse er diesen „anheben und sehr bestimmt in die gewünschte Position bewegen“, erklärte Braithwaite. Der Experte wies allerdings auch darauf hin, dass in dem Bericht nicht behauptet werde, ein Pilot habe den Schalter bewegt.
Heinrich Großbongardt, ein weiterer Luftfahrtexperte, zeigte sich im „Spiegel“ überzeugt, dass einer der beiden Piloten die Treibstoffzufuhr absichtlich unterbrochen habe. „Alles deutet darauf hin, dass es ein Suizid war. Dass einer der beiden Piloten dieser Maschine bewusst die Treibstoffzufuhr unterbrochen hat – und das genau in dem Moment, in dem das Flugzeug am verwundbarsten war, unmittelbar nach dem Abheben.“ In diesem Moment brauche „das Flugzeug den vollen Schub, um an Höhe und Geschwindigkeit zu gewinnen“, sagte der ehemalige Mitarbeiter von Boeing, der Lufthansa und der Pilotenvereinigung Cockpit weiter. „Das Abschalten der Treibstoffzufuhr hat das Gegenteil bewirkt: Die Maschine ist abgestürzt.“
Die beiden Treibstoff-Regler für die Triebwerke seien laut dem Bericht wenige Sekunden nach dem Abheben von „Run“ auf „Cutoff“ umgelegt worden – und zwar nacheinander, im Abstand von einer Sekunde zwischen Schalter 1 und Schalter 2. „Das kann nach menschlichem Ermessen nur einer der beiden Männer im Cockpit getan haben“, so Großbongardt. „Versehentlich kann man diese Regler nicht bewegen.“
Die Wiederherstellung der Treibstoffversorgung sei zwar wenige Sekunden später erfolgt, so der Experte – jedoch sei das bereits zu spät gewesen. „Jeder von beiden könnte sie betätigt haben.“