Merz stellt sich hinter Spahn

von Redaktion

Heimspiel: Kurz vor seinem ARD-Interview schaute Friedrich Merz noch im Sauerland beim Schützenfest der St.-Stephanus-Schützenbruderschaft Niedereimer vorbei. © Kaiser/dpa

München/Berlin – Friedrich Merz hat sich sorgfältig vorbereitet. Keine 15 Minuten dauert das ARD-Sommerinterview gestern, da hat er schon ein halbes Dutzend Mal wortgleich darauf hingewiesen, dass man die jüngsten Ereignisse „in aller Ruhe besprechen“ werde. Das soll Souveränität ausstrahlen – etwas, das die Koalition in Wahrheit schmerzlich hat vermissen lassen. Die misslungene Wahl von drei Verfassungsrichtern begleitet den Bundeskanzler und seine Regierung nun in die Sommerpause. Aber auch dafür hat Merz eine Antwort, die er immer wieder hervorzieht: „Beim nächsten Mal machen wir es besser.“

Alles halb so wild also? Auch Merz weiß, welche Schockwellen die Richterwahl durchs Land gejagt hat, aber sagen kann er das halt nicht. Statt dessen behauptet er: „Das Ganze ist undramatisch.“ Seine Argumentation: In den zehn Wochen seit der Vereidigung habe seine Regierung schon etliches auf die Beine gestellt, allein am Freitag standen 80 Punkte auf der Tagesordnung des Bundesrats, darunter zahlreiche Gesetzesvorhaben. „Wir haben viel erreicht.“ Nur die eine Sache eben nicht.

Der Name des Gesprächsformats führt in die Irre. „Sommerinterview“, das erweckt den Anschein, als betrachte man entspannt und mit Distanz zum hektischen Politikbetrieb das große Ganze. Bei Merz ist das unmöglich, von Distanz keine Spur. Erst vor zwei Tagen ist seine Koalition, die alles anders machen wollte als die zerstrittene Ampel, in eine kapitale Krise gerutscht. Er ist voll im Modus der Schadensbegrenzung. So ist auch der 1-zu-80-Vergleich zu sehen.

Das Letzte, was Merz und die Koalition jetzt brauchen können, ist eine Personaldebatte. Dabei wird die seit Freitag bereits geführt. Im Zentrum steht Jens Spahn, der als Fraktionschef die Schwingungen innerhalb der Union hätte wahrnehmen und die Mehrheit für die SPD-Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf sicherstellen müssen. „Wir hätten natürlich früher erkennen können, dass da großer Unmut besteht“, räumt Merz ein, doch die massiven Vorbehalte gegen die Juristin seien „in dieser Form nicht absehbar gewesen“. Die Frage, ob Spahn noch der richtige Mann auf diesem Schlüsselposten sei, beantwortet der Kanzler dann auch unmissverständlich: „Eindeutig ja!“

Wie es nun weitergeht, umreißt er weniger klar. „Ohne Zeitdruck“ will er das Prozedere mit der SPD besprechen, es müsse „nicht heute oder morgen“ ein Ergebnis geben. Er klingt da ganz anders als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der sich in der Richterfrage Tempo wünscht, um „Autorität und Funktionsfähigkeit“ des Bundesverfassungsgerichts nicht ebenso zu beschädigen wie den Ruf der jungen Koalition.

Auch die SPD hat da andere Vorstellungen als der Kanzler. Sie würde ihre schwer angeschlagene Kandidatin gerne zum besseren Kennenlernen möglichst bald in die Unionsfraktion schicken. Das klingt nicht, als würden die Sozialdemokraten einer Empfehlung aus der CDU folgen, personell umzudenken. „Wenn ich in der Lage von Frauke Brosius-Gersdorf wäre, würde ich mir die Frage stellen, ob ich meine Kandidatur aufrechterhalte“, sagt der Abgeordnete Tilman Kuban dem „Tagesspiegel“.

Angesichts solch schroffer Ablehnung wirkt es unfreiwillig fast komisch, als Merz wenige Stunden vor dem TV-Auftritt bei einem Schützenfest in seiner sauerländischen Heimat vorbeischaut und dort die frisch verkrachte Koalition anzupreisen versucht. „Richtig gut“ arbeite man dort zusammen, „sogar mit den Sozialdemokraten“. In der ARD schwärmt er dann noch von Lars Klingbeil, dem Vizekanzler und Finanzminister. Der leiste „wirklich gute Arbeit“.

Er weiß, nach den Ferien stehen deutlich größere Posten auf der Agenda als die Wahl einer Richterin. Merz verweist auf die Sicherung der Sozialsysteme und das ewige Streitthema Bürgergeld, wo er Änderungsbedarf sieht, etwa bei der Deckelung der Mietkosten oder der Reduzierung der Wohnungsgröße. „Das alles steht auf dem Prüfstand“, sagt der Kanzler, „darüber reden wir.“ In aller Ruhe natürlich.

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