Bayerns Waffen für die Ukraine

von Redaktion

Die Sprengstoff-Gießerei am Standort in Schrobenhausen. © huber/mbda

München – Der Verteidigungsminister versuchte einen Scherz. „Hier wird mehr aus dem Boden geschossen als der Schrobenhauser Spargel“, sagte Boris Pistorius in seiner Festrede. Das gab ein paar höfliche Lacher. Doch der Anlass war eher ernst, jedenfalls gewichtig. Auf dem streng gesicherten Firmengelände der Rüstungsschmiede MBDA in der Nähe von Schrobenhausen, mit Spargel hat das nun wirklich gar nichts zu tun, eröffnete Pistorius die Arbeiten zu einem großen Erweiterungsbau.

Vor gut einem halben Jahr war das. MBDA baut seither die erste Produktionslinie für Patriot-Raketen außerhalb der USA auf. 2027 sollen die ersten Flugkörper hier produziert werden, im Auftrag der Nato für die Bundeswehr und für europäische Partner. In diesen Tagen rückt das gut versteckte Areal in einem Wald bei Schrobenhausen wieder in die Erinnerung: Denn die Nachfrage nach Patriot-Systemen steigt stark. Die USA lassen sich von ihren Partnern wohl mehrere abkaufen, die sie dann der Ukraine zur Verfügung stellen.

Die Summen, um die es da geht, sind atemberaubend. Pro Patriot-System werden die Kosten (offizielle Preise sind geheim) auf 400 Millionen Dollar geschätzt; jede einzelne Rakete dürfte bei annähernd vier Millionen Dollar liegen. Für die Ukraine sind die Systeme überlebenswichtig in der aktuellen Kriegsphase der schwersten russischen Luftangriffe: Sie können anfliegende Raketen und Marschflugkörper zerstören, sogar in 50, 60 Kilometer Entfernung.

Bisher Militärhilfen für 28 Milliarden Euro

Es ist kein Einzelfall mehr: In Bayern produzierte Waffen sind für die Ukraine immer wichtiger. Dabei ist der ebenfalls von MBDA in Schrobenhausen hergestellte, bunkerbrechende Marschflugkörper „Taurus“ (Stückpreis: eine Million Euro) bisher nicht im Einsatz in der Ukraine. Wohl aber sind in Bayern hergestellte Drohnen tausendfach über dem angegriffenen Land unterwegs. Das Rüstungs-Startup Helsing aus München hat weit über 1000 leichte, mit KI-Software ausgerüstete Kamikaze-Drohnen geliefert. Quantum Systems aus Gilching lieferte Aufklärungsdrohnen, die bisher für die Landwirtschaft entwickelt wurden. Die Panzerschmiede KNDS brachte die Panzerhaubitze 2000 in die Ukraine (Zulieferer übrigens unter anderem Renk aus Augsburg). Auch der Nachfolger RCH155 ist schon unterwegs, sogar vor der Auslieferung an die Bundeswehr. 54 Stück sollen an Kiew gehen. Vom Nürnberger Mischkonzern Diehl wurde sechsmal das Luftverteidigungssystem Iris-T in die Ukraine geschickt, die Software und Radar kommen von Airbus und Hensoldt (Taufkirchen).

Die Lieferungen aus Bayern werden alle bezahlt. Aber auf unterschiedlichen Wegen. Was aus den Beständen der Bundeswehr kostenlos an die Ukraine abgegeben wurde, etwa die Leopard-Panzer, wurde den Herstellern ja bereits vom Bund abgekauft. Einzelne Waffen kauft die Ukraine den Herstellern aus eigenen Mitteln ab. Zum Teil erstattet die Bundesregierung aus ihrem Haushalt oder aus einem EU-Topf die Kosten. Bisher hat Deutschland Militärhilfen im Wert von etwa 28 Milliarden Euro an die Ukraine geliefert; die Zahl stammt aus dem April und wird seither nicht aktualisiert, um Russland keine weiteren Rückschlüsse zu erlauben.

120 000 Arbeitsplätze hängen an Rüstung

Die Verknüpfung mag zynisch klingen – in der Ukraine retten die Waffen Leben von Zivilisten, bei den Herstellern sichern sie Arbeitsplätze. In Schrobenhausen und am Nebenstandort Aschau dürfte die neue Patriot-Fertigungslinie zum Beispiel 300 bis 350 Stellen schaffen. Bayernweit hängen nach Daten der Staatsregierung rund 120 000 Arbeitsplätze bei 150 Unternehmen und sieben Milliarden Euro Umsatz an der Rüstungsindustrie. Die Summen sollen steigen, vom nach oben offenen Sicherheitspaket für die Bundesregierung sollen rund 25 Prozent an bayerische Standorte fließen. Die Staatsregierung forderte außerdem vom Bund, die streng regulierten und genehmigungspflichtigen Waffenexporte weiter zu erleichtern.

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