Steinmeier ist der Schirmherr der Initiative. © Kausche/dpa
Berlin/München – Ein Faxgerät ist Karsten Wildberger (CDU) in seinen ersten 70 Tagen als Digitalminister noch nicht untergekommen. Doch der Ex-Telekom-Manager bleibt wachsam: „Falls ich eins sehe, fliegt es raus“, verspricht er am Montag bei der Vorstellung des Abschlussberichts der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“. Das Fax steht in Deutschland oft sinnbildlich für den ohnmächtigen Staat, der an veralteten Strukturen festhält. Wildberger kann verstehen, wie dieser Eindruck entsteht. Bürokratie verlangsame Prozesse, die in der modernen Welt schnell gehen müssten, so der Minister. „Man fragt sich zu Recht: Warum kann mein Land das nicht besser?“
Mit dieser Frage befasst sich die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“. In ihrem Abschlussbericht plädieren die vier Autoren, Verlegerin Julia Jäkel, Ex-Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle sowie die früheren Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD), für eine Staatsreform. „Deutschland befindet sich in einer strukturellen Krise“, warnt Voßkuhle bei der Übergabe des Berichts an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue.
In 35 Forderungen mahnt die Initiative Reformen etwa in den Bereichen Verwaltung, Sozialstaat, Migration, Wirtschaft und Sicherheit an. So sprechen sich die Autoren für eine allgemeine Dienstpflicht aus, die für Männer und Frauen gleichermaßen gelten müsse. „Der zu erwartende Zuwachs an Gemeinsinn in der Gesellschaft durch ein Pflichtjahr wiegt die vielen zu treffenden Entscheidungen und die damit einhergehenden Zumutungen auf“, heißt es in dem Bericht.
Weiterhin müsse der Staat das Vertrauen in die Demokratie festigen. Dafür schlägt die Initiative Bürgerräte vor, um die Bevölkerung auf freiwilliger Basis stärker in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Auch effizientere Gesetzgebung könne zu mehr Zufriedenheit mit der deutschen Demokratie führen. Konkret empfehlen die Autoren eine „Experimentierklausel“. Verwaltungen sollen damit Regelungen erst ausprobieren können, um daraus Lehren zu ziehen. „Nicht selten zeigt sich erst in der Praxis, dass ein Gesetz dysfunktional ist.“
Außerdem fordert die Initiative mehr Effizienz in der Verwaltung. In Modellregionen sollen Reformvorschläge getestet werden. Köln und Stralsund hätten sich beworben. Auch die Landesdirektion Sachsen und eine Kommune im Westen kommen laut Abschlussbericht für den Testversuch in Frage. Steinmeier, Schirmherr der Initiative, sieht Deutschland keineswegs als reformunfähig an. In der Bevölkerung sei jedoch der Eindruck entstanden, der Staat halte seine Versprechen nicht. „Dann erodiert politisches Vertrauen in unsere demokratische Ordnung. Und klar ist: Gerade das müssen wir verhindern“, appelliert er.
Die Aufgabe, die Reformvorschläge umzusetzen, fällt unter anderem Digitalminister Wildberger zu. Er misst dem Abschlussbericht große Bedeutung bei, um Deutschland nicht nur Fax-frei, sondern auch zukunftsfähig zu machen. Die 35 Forderungen seien unbedingt umzusetzen. Denn: „Ein funktionierender Staat ist ein demokratisches Versprechen.“