Ein Pakt mit den Brexit-Briten

von Redaktion

Welcome to Downing Street 10: Friedrich Merz (r., CDU) wird von Premier Keir Starmer demonstrativ begrüßt. © dpa

London – Fünf Jahre nach dem Brexit haben Deutschland und Großbritannien ihre Beziehungen mit einem umfassenden Freundschaftsvertrag auf eine neue Grundlage gestellt. Bundeskanzler Friedrich Merz und der britische Premierminister Keir Starmer unterzeichneten bei einer feierlichen Zeremonie im Victoria und Albert Museum in London das 27 Seiten starke Dokument, das von einem Aktionsplan mit 17 Punkten flankiert wird. Es sei ein „historischer Tag“, sagte Merz.

Beide Länder seien „von dem Wunsch geleitet, angesichts grundlegender Veränderungen des geopolitischen Umfelds ihre Kräfte zu bündeln, um ihren Bürgerinnen und Bürgern sowie ihren offenen, demokratischen Gesellschaften eine von Wohlstand, Sicherheit und Nachhaltigkeit geprägte Zukunft zu bieten“, heißt es in Präambel des Vertrags. Großbritannien war 2020 nach einem Referendum aus der EU ausgetreten und versucht nun, die Verbindung zu einzelnen Mitgliedstaaten durch bilaterale Abkommen zu stärken. Das sind die wichtigsten Punkte:

Mobilität: Die Visafreiheit für deutsche Schülergruppen, die auf Klassenfahrt nach Großbritannien reisen, soll ab Ende des Jahres gelten. Probleme bereitet etwa, dass Schüler ohne deutschen Pass – also beispielsweise aus Syrien oder Afghanistan – ein Visum für Großbritannien beantragen müssen, was sich oft schwierig gestaltet. Um diese Kinder nicht effektiv von der Klassenfahrt auszuschließen, verzichten manche Schulen derzeit ganz auf den Großbritannien-Austausch. Zusätzlich soll eine Expertengruppe nach Lösungen für weitere durch den Brexit entstandene „Mobilitätsprobleme“ suchen – für die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie für politische Organisationen.

In zehn Jahren sollen die ersten Züge direkt von Deutschland nach Großbritannien rollen – unter dem Ärmelkanal hindurch. Bisher ist das, auch bedingt durch die nötige Passkontrolle, nur mit Umsteigen möglich. Zur Realisierung der Bahnverbindung wird eine Task-Force eingesetzt.

Bereits ab Ende August sollen erste britische Reisende automatisierte Grenzkontrollstellen (E-Gates) nutzen können. Die Nutzung dieser Systeme soll anschließend so schnell ausgebaut werden, wie es die Technik zulässt.

Verteidigung: Die beiden Länder unterstreichen die durch ihre Nato-Mitgliedschaft schon bestehende militärische Beistandspflicht im Angriffsfall. Sie ist nicht zuletzt von Bedeutung, weil Großbritannien eine Atommacht ist.

Innerhalb eines Jahrzehnts soll ein europäisches Waffensystem unter Beteiligung beider Länder entwickelt werden, mit dem Ziele in 2000 Kilometern Entfernung getroffen werden können. Ein solches System gibt es bisher nicht aus europäischer Produktion. Russland hat aber Mittelstreckenraketen. Die Europäer wollen mit den Waffen ein Gleichgewicht bei Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit herstellen. Auch der Export gemeinsam produzierter Rüstungsgüter soll erleichtert werden. Deutschland stand dabei bisher wegen sehr strikter Regeln oft auf der Bremse. Die Briten erhoffen sich von einem Kurswechsel zusätzliche Ausfuhren in Milliardenhöhe.

Migration: Zur Eindämmung der irregulären Migration wollen die beiden Länder einen Aktionsplan auflegen. Der Kampf gegen Schleuserkriminalität soll unter anderem durch gegenseitige Rechtshilfe, Unterstützung bei der Verfolgung von Straftätern und effektive Grenzkontrollen vorangetrieben werden.

Die Labour-Regierung von Premierminister Starmer steht innenpolitisch massiv unter Druck, die zuletzt gestiegene Zahl der Bootsmigranten am Ärmelkanal zu senken. Das Thema gilt als entscheidend, um der derzeit führenden Reform-Partei des Rechtspopulisten Nigel Farage den Wind aus den Segeln zu nehmen.

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