Auf die Plätze, fertig, los: Vor der Sommer-Pressekonferenz herrscht noch gute Stimmung bei Kanzler Friedrich Merz (CDU). Doch gleich zu Beginn wird es ungemütlich. © Hanschke/EPA
München – In zwei Wochen geht es auch für Friedrich Merz in den Urlaub. Wo genau es ihn in der parlamentarischen Sommerpause hin verschlägt, will sein Sprecher zwar nicht verraten. Doch eines gibt der Kanzler über seine Sommerferien preis: „Sie werden kurz sein.“ Klar, als immer noch frischgebackener Kanzler, gerade einmal zehn Wochen im Amt, kommt nicht die große Urlaubsstimmung auf. Zu viel stapelt sich noch auf dem Schreibtisch, zu drängend sind die Herausforderungen der Zeit.
Bei der traditionellen Sommer-Pressekonferenz gibt Merz deswegen einen Einblick, was seine schwarz-rote Regierung ab Herbst dann alles angehen will. Mit seinem Eingangsstatement versucht der Kanzler die Themen zu setzen: wirtschaftlicher Aufschwung, Migration, Sozialer Wohnungsbau, Verteidigung.
Doch seine Rechnung geht nicht auf. Die ersten 20 Minuten des Kanzler-Kreuzverhörs widmen die Hauptstadt-Journalisten der gescheiterten Richterwahl (s. unten). Wie gewohnt antwortet Merz bei diesem Thema schmallippig. Es sei „alles gesagt worden“. Und überhaupt sei die Koalition in keiner Krise, nur in „einer Situation, die besser sein könnte“.
In den 90 Minuten gibt sich Merz bestimmt, verliert nicht die Fassung. Während er sich bei innenpolitischen Themen meist kurz hält, bei der Richterwahl sogar genervt wirkt, blüht er bei Fragen um die Führungsverantwortung in Europa förmlich auf, bedankt sich sogar dafür. Für ihn ist klar: „Außenpolitik ist immer auch Innenpolitik.“ Nichts, was man voneinander trennen kann.
Für den Außenkanzler braucht es jetzt vor allem europäische Allianzen, denn „die Statik auf der Welt“ habe sich verändert. „Wir müssen als Europäer – und ich sage jetzt bewusst nicht: als Europäische Union – darauf angemessen reagieren“, sagt Merz. Gerade erst kommt er von seinem Antrittsbesuch aus London zurück. Merz, der Statiker, der auf dem ganzen Kontinent helfende Hände sucht.
Themen gibt es da viele. Trumps Zölle, Krieg in der Ukraine, Eskalation in Nahost. So hat Merz mit dem britischen Premier Keir Starmer auch vereinbart, sich für eine Feuerpause im Gazakrieg einzusetzen. „Die Vorgänge im Gazastreifen sind für uns nicht mehr akzeptabel“, sagt Merz. Und auch die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland finde keine Zustimmung in der Bundesrepublik. Klare Worte. Doch mehr als Gespräche und Gaza-Hilfen will Merz momentan nicht leisten.
Auf Dialog setzt Merz auch bei den US-Zöllen. Er nehme sehr „intensiv“ an den Verhandlungen zwischen der EU und den USA teil. Bis zum 1. August hat US-Präsident Donald Trump der EU Zeit gegeben. Und Merz? Der beginnt zufällig erst dann seinen Urlaub. „Zölle schaden uns allen“, stellt er klar. Gleichzeitig dämpft er aber die Hoffnung auf ein Rundum-Sorglos-Paket. „Unrealistisch ist zu glauben, dass wir mit Null zu Null rauskommen.“
Doch im Herbst wird es dann doch auch ein bisschen innenpolitisch. Praktisch ein Herbst der Sozialreformen. Reform des Bürgergelds, Weichenstellung für die Stabilisierung der Sozialversicherungen. Von diskutierten Vorschlägen – wie einer Bürgerversicherung für privat und gesetzlich Versicherte – hält Merz nichts. „Wenn Sie den Mercedes verbieten, wird der Golf teurer“, lautet seine Gleichung. Er weiß: Bei diesem Thema „steht uns eine große, auch gesellschaftspolitische Kraftanstrengung bevor“.
Zum Schluss gibt der Kanzler der Nation noch Hausaufgaben mit in die Sommerferien. „Wir brauchen eine bessere Grundstimmung in Deutschland“, sagt er. „Für uns ist so häufig das Glas halb leer“, rügt der Kanzler. „Ich würde sogar sagen, es ist dreiviertel voll.“ Ein Viertel fehlt also noch.