Auch ein zeitlich geschickt arrangierter Abschiebeflug für afghanische Kriminelle hat den Kanzler in der Bundespressekonferenz nicht gerettet. Nicht auf die Asylpolitik richtete sich das geballte Erkenntnisinteresse der Journalisten beim Sommer-Verhör von Friedrich Merz, sondern auf den leidigen Fall Brosius-Gersdorf. Geschlagene 20 Minuten grillten die Medienvertreter den CDU-Chef nur dazu, bis die Sitzungsleiterin endlich ein Einsehen hatte. Die Nichtwahl der Richterin hat die Stimmung für die Koalition und besonders für die Union vor der Sommerpause verhagelt, da konnte der Kanzler noch so sehr für einen „gelasseneren Umgang“ mit der Personalie werben und auf den Rumpelstart seines Vor-Vorgängers Helmut Kohl hinweisen. Man kann nur ahnen, wie sehr Merz seinen Fraktionschef Jens Spahn insgeheim verwünscht, vor den er sich in der Öffentlichkeit so tapfer stellt.
Das Tohuwabohu verstellt den Blick darauf, dass die neue Regierung in ihren ersten zehn Wochen auch geliefert hat, vor allem in der Migrationspolitik, wo Bundesinnenminister Dobrindt die Asylwende konsequent vorantreibt und sich richtigerweise auch nicht von der Flüchtlingslobby beeindrucken lässt, die lieber afghanische Straftäter als die eigene Bevölkerung geschützt sehen will. Außenpolitisch nimmt Deutschland unter Merz endlich wieder seinen Platz als europäische Führungsnation ein. Und im Bundestag hat die schwarz-rote Regierung so viele Gesetze durchgebracht wie kaum eine vor ihr. Ihr Pech ist es, dass nur zwei Abstimmungen den Bürgern in Erinnerung geblieben sind. Das war die im ersten Durchgang gescheiterte Kanzlerwahl und das Debakel um die Verfassungsgerichts-Kandidatin.
Doch bleibt das Wichtigste noch zu tun, vor allem die Wiederbelebung der scheintoten Konjunktur und die Stabilisierung der Sozialsysteme, von der Entschärfung der Zeitbombe Bürgergeld ganz zu schweigen. Hier explodieren die Kosten munter vor sich hin, und die Vorschläge des Kanzlers, die Ausgabendynamik zu begrenzen, auch beim ausufernden Wohngeld, hat der Koalitionspartner SPD bisher sehr ungnädig beschieden. Unions-Kumpel Markus Söder hat dem genervten Kanzler am Tag vor dessen schwierigem Auftritt per Zeitungsinterview die Marschrichtung vorgegeben: Runterkühlen – und nach der Sommerpause neu durchstarten. Auch das war nur mittelnett. GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET