Die (Ohn-)Macht der Opposition

von Redaktion

AfD-Chefin Alice Weidel war am Sonntag beim ARD-„Sommerinterview“. Die Aufzeichnung wurde von lautstarken Protesten gestört. © ANDERSEN/AFP

Berlin – Provokative Zwischenrufe sind im Bundestag zu einer Art Markenzeichen der AfD geworden. Damit will die Fraktion Redner anderer Parteien aus dem Konzept bringen. Am Sonntag drehten Demonstranten den Spieß jedoch um und machten AfD-Chefin Alice Weidel zum Opfer dieser Taktik: Das ARD-„Sommerinterview“ mit der Vorsitzenden der stärksten Oppositionspartei im Parlament ging im Lärm eines lautstarken Protests fast unter. Mit Hupen, Trillerpfeifen und „Scheiß-AfD“-Gesängen störte das linke Künstler-Kollektiv „Zentrum für politische Schönheit“ die Aufzeichnung im Berliner Regierungsviertel.

Weidel musste sich mehrfach nach vorn beugen, um die Fragen von Moderator Markus Preiß zu hören. „Moment, bitte, es ist extrem laut im Hintergrund, und ich kann Sie kaum verstehen“, klagte sie. Preiß sagte am Ende, das Interview habe „in einer wirklich schwierigen akustischen Situation“ stattgefunden. „Wir haben uns teilweise wirklich nicht richtig verstanden.“

Die ARD kündigte Konsequenzen an: „Ein ungestörter Ablauf der Interviews ist in unserem Interesse und vor allem im Interesse des Publikums, daher werden wir aus der Sendung Schlüsse ziehen und in Zukunft Vorkehrungen treffen“, sagte eine Sprecherin.

Der Wirbel um das Weidel-Interview spiegelt den Zwist innerhalb der Bundestagsopposition wider. Denn diese ist keineswegs geschlossen: Besonders die in Teilen als rechtsextremistisch eingestufte AfD ist ein Polarisierungsfaktor im Parlament. Mit scharfer Rhetorik in Plenarreden macht die Partei auf sich aufmerksam und hält sich mit Kritik an der schwarz-roten Regierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) nicht zurück. Weidel warf Merz im „Sommerinterview“ erneut vor, er habe „alle Wahlversprechen gebrochen“. Sie nannte dabei die Migrationswende oder die Angaben des CDU-Chefs zur Einhaltung der Schuldenbremse im Wahlkampf.

Die Grünen besinnen sich indessen wieder deutlich auf ihr Kernthema. Von einer „Bankrotterklärung“ beim Klimaschutz sprachen sie in der Generaldebatte, die Regierung übernehme keine Verantwortung für künftige Generationen. Die Grünen kritisieren den Gasausbau, fehlende Investitionen in die Schiene und „Verschiebebahnhöfe“ beim Haushalt. Grünenchefin Franziska Brantner warf der Bundesregierung Wählertäuschung und eine Rolle rückwärts beim Klimaschutz vorgeworfen. Brantner kritisierte am Sonntag im ZDF-„Sommerinterview“, dass die schwarz-rote Regierung „rumtrickst, dass sie Klimageld nutzt für Gas, dass sie wirklich Klientelpolitik macht, statt alle Bürgerinnen und Bürger zu entlasten“.

Die deutlich gewachsene Linksfraktion versteht sich wiederum als Stimme der Schwachen und Armen. . Eine „wirksame soziale Opposition“ will sie sein und tritt dabei bislang geschlossen auf. Die Linke kritisiert regelmäßig Steuergeschenke für Reiche, hohe Verteidigungsausgaben sowie ein Ausbleiben der Stromsteuersenkung für alle. Vor allem aber warnt sie stetig vor einer Zusammenarbeit mit oder Duldung von Zustimmung der AfD.

Den drei Oppositionsparteien steht insgesamt ein gut gefüllter Instrumentenkasten zur Kontrolle der Regierung zur Verfügung. Dazu gehören Anfragen, die Beantragung von Aktuellen Stunden und Regierungsbefragungen. Zu den schärfsten Schwertern der Opposition zählt die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen sowie Verfassungsklagen zur gerichtlichen Überprüfung von Gesetzen. Doch genau hier liegt das Problem – denn dafür ist ein Viertel der Abgeordneten nötig. Weder die AfD allein noch Grüne und Linke zusammen kommen auf die nötige Mehrheit. Eine Zusammenarbeit mit der AfD wiederum schließen die beiden anderen Oppositionsparteien aus.

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