China setzt die EU unter Druck

von Redaktion

Seltenes Treffen: Xi Jinping und Ursula von der Leyen im vergangenen Jahr in Paris. © Marin/AFP

München – In Brüssel machen sie jetzt offenbar Überstunden. Mitglieder der chinesischen EU-Vertretung hätten in den letzten Wochen alle 720 Abgeordneten des EU-Parlaments sowie ihre Mitarbeiter angesprochen, hört man aus EU-Kreisen. Die Chinesen hätten zu Reisen in die Volksrepublik eingeladen, stundenlang auf Abgeordnete eingeredet, um ihre Botschaften zu platzieren.

Darunter jene, dass für die Europäer angesichts eines erratisch agierenden US-Präsidenten kein Weg an einer intensiveren Zusammenarbeit mit dem „verlässlichen Partner“ China vorbeiführe. Peking versuche alles, „um das Mindset über China hier zu verändern“, erzählt der EU-Abgeordnete Engin Eroglu, Leiter der China-Delegation des Europäischen Parlaments. Laut Eroglu ist zuletzt aber kaum einer seiner Kollegen nach China gereist.

Auch den EU-China-Gipfel, zu dem Mitte der Woche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa in Peking erwartet werden, wird China kaum als diplomatischen Erfolg verbuchen können. Es ist das erste derartige Treffen seit gut anderthalb Jahren, und eigentlich gäbe es Grund zum Feiern: Vor 50 Jahren nahmen beide Seiten diplomatische Beziehungen auf. Auf zwei Tage war der Gipfel ursprünglich angesetzt, jetzt muss ein Donnerstag reichen, um mit Staatschef Xi Jinping und Premierminister Li Qiang alle Differenzen zu diskutieren. Ausräumen lassen dürften sich aber die wenigsten.

Die Beziehungen zwischen China und der EU befänden sich derzeit an einem „sehr schwierigen“ Punkt, sagt Abigaël Vasselier von der Berliner China-Denkfabrik Merics. Sie verweist auf Pekings Unterstützung für Russland. China unterstützt den russischen Angriffskrieg weiterhin diplomatisch und wirtschaftlich und zudem mit der Lieferung von Dual-Use-Gütern, also Dingen, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können.

Peking glaubt, den Ukraine-Krieg einfach ausklammern zu können, wenn es mit der EU über Handelsfragen spricht. Für Brüssel gehört aber beides zwingend zusammen. Dass die EU mit ihrem am Freitag verabschiedeten 18. Sanktionspaket gegen Moskau auch zwei chinesische Finanzinstitute ins Visier genommen hat, versteht man in Peking nicht. Gestern sprach das Außenamt von „erfundenen Anschuldigungen“.

Bei den Handelsfragen fordert die EU etwa besseren Zugang zum chinesischen Markt für europäische Unternehmen. Diese klagen seit Langem, chinesische Unternehmen würden etwa bei Ausschreibungen gegenüber der ausländischen Konkurrenz bevorzugt.

Zudem steht das Thema Überkapazitäten ganz oben auf der Agenda der Europäer. Weil die chinesische Wirtschaft schwächelt, können chinesische Unternehmen immer weniger Waren im eigenen Land absetzen. Allerdings steigt die Produktion in vielen Bereichen, weil die chinesische Regierung einzelne Sektoren wie etwa E-Autos mit massiven Subventionen unterstützt. Diese Überkapazitäten werden dann zu Billigpreisen ins Ausland umgelenkt. Und weil die USA ihren Markt für chinesische Produkte mit Trumps Zöllen zunehmend abschotten, trifft diese Warenschwemme vor allem die EU. Unternehmen hierzulande geraten massiv unter Druck. Als Gegenmaßnahme hatte die EU bereits vor einem Jahr Zölle auf in China hergestellte Elektroautos verhängt.

Klar ist: China präsentiert sich zwar einerseits als verlässlicher Partner, gleichzeitig aber lässt es die Europäer immer wieder spüren, dass es am längeren Hebel sitzt. Etwa bei Seltenen Erden. Zuletzt erließ Peking Ausfuhrbeschränkungen für sieben Seltene Erden in die EU – für Vasselier ein gezieltes Manöver, um sich Verhandlungsspielraum zu schaffen. Auch dass China im Handelsstreit mit den USA einen vorläufigen Deal erzielen konnte, während die EU noch mitten in Verhandlungen steckt, stärkt das Selbstbewusstsein der Chinesen.

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