Die Bundeswehr ist Kummer gewöhnt. Nach dem Ende des Kalten Krieges fehlten ihr Geld, Personal und Akzeptanz. Ihren Verteidigungsministern fehlten Weitsicht und Gestaltungskraft, man denke an den Wehrpflichtzerstörer Guttenberg. Vieles davon ändert sich gerade. Vor allem Geld wird reichlich fließen, formal sogar unbegrenzt dank Schuldentopf. Umso wichtiger ist, dass die verkrustete Beschaffungsbürokratie aufbricht. Minister Pistorius geht mit dem Ausbau des Beschaffungsbeschleunigungsgesetzes (heißt wirklich so) den richtigen Weg.
Die Bundeswehr muss, weil ein russischer Übergriff als reale Gefahr erkannt wird, viel schneller bauen. Verrottete Kasernen, inaktuelle Flugplätze, aufgegebene Wehrdienst-Infrastruktur – viel davon kann in zwei, drei Jahren wieder hochgezogen werden. Vor allem muss der Bund schneller und konzentrierter Rüstungsgüter einkaufen. Verteidigungsfähig zu werden – für Land wie Bündnis –, ist zwar ein Selbstzweck. Doch Investitionen von hunderten Milliarden Euro sollten so weit wie möglich im Inland realisiert werden, wo sie Umsatz und Arbeitsplätze in wirtschaftlich harten Zeiten sichern.
Es ist ein Alarmsignal, dass zuletzt bis zu 80 Prozent der Verteidigungs-Mehrausgaben an Firmen jenseits der EU flossen. Die deutsche (bayerische!) Rüstungsindustrie kann nicht alles, aber viel mehr, als bisher abgerufen wird. Auffällig wird die Unwucht bei den Kampfjets: Noch ist geplant, kurzfristig zehn Milliarden Euro in drei Dutzend F-35-Kampfjets zu stecken, Wertschöpfung meist in den USA. Dafür gibt es wegen der nuklearen Teilhabe gute Argumente, aber auch ein Störgefühl angesichts des angedrohten Trump-Handelskriegs. Vor allem fliegt gleichzeitig das (langfristige) deutsch-französisch-spanische Kampfjet-Projekt FCAS ungeplant in Richtung Wand. Plötzlich beansprucht Frankreich angeblich 80 Prozent Anteil, für Deutschland und Airbus inakzeptabel.
Europäisches Denken ist immer besser als nationales, gerade in der Verteidigung. Wo das noch nicht funktioniert und wo sich Partner weltweit als unzuverlässig entpuppen, müssen die Beschaffungsregeln so gelockert sein, dass Deutschland endlich effektiver einkaufen kann – nach militärischem und nach wirtschaftlichem Eigeninteresse.CHRISTIAN.DEUTSCHLAENDER@OVB.NET