Stabil statt schrill: Melonis Wandlung

von Redaktion

Plötzlich beliebt: Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, hier mit Bundeskanzler Friedrich Merz, tritt in Europa gemäßigt auf. © Michael Kappeler/dpa

Rom – Giorgia Meloni regiert nun 1000 Tage, und es gibt keine Zweifel, dass noch einige hinzukommen. Das ist für italienische Verhältnisse eine außerordentliche lange Zeit. 68 italienische Regierungen gab es in der Nachkriegszeit, durchschnittlich scheiterte die Exekutive also beinahe jedes Jahr.

Man mag der Rechtsaußenpolitikerin kritisch gegenüberstehen. Sie hat jedoch eine unbestreitbare Qualität in die Exekutive in Rom gebracht: Stabilität. Ihre Koalition aus drei Parteien hat sie im Griff. Italien liegt Meloni weiterhin nicht zu Füßen. Auch gemäßigt konservative Wähler wirken aber immer überzeugter von ihrer Politik. Ihre Partei Fratelli d‘Italia kommt in Umfragen stabil auf rund 30 Prozent, für die einstige rechte Splitterpartei ist das viel. Bei der Parlamentswahl 2022 waren es rund 26 Prozent der Stimmen, schon damals als stärkste Kraft.

Der Trend hat ganz überwiegend mit der Person Meloni zu tun, der ersten Frau in diesem Amt. Auch politische Gegner erkennen ihren lockeren Kommunikationsstil, ihre Bestimmtheit, ihre Dialogfähigkeit an. Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zum vor zwei Jahren verstorbenen Berlusconi hat die Römerin keine Interessenskonflikte. Das verleiht ihrer politischen Aktion Authentizität.

Als Meloni 2022 an die Macht kam, befürchteten Beobachter ein Abdriften Italiens in ein illiberales System wie etwa in Ungarn. Melonis Wurzeln im Postfaschismus weckten Ängste. Nach wie vor liebäugelt die 48-Jährige mit diesem politischen Erbe, wohl aus Kalkül. Die an den italienischen Faschismus erinnernde Flamme im Parteisymbol der Fratelli will sie bis auf Weiteres nicht tilgen. Von einer systematischen Beschädigung der Säulen der liberalen Demokratie im Stile Viktor Orbans ist Italien aber weit entfernt. Meloni verfolgt eine sehr harte Migrationspolitik, hat sich aber als Regierungschefin gemäßigt. Für verbale Angriffe auf die EU ist inzwischen exklusiv Transportminister Matteo Salvini vom Koalitionspartner Lega zuständig.

Dass die Ministerpräsidentin von Beginn an keine Zweifel an der Unterstützung der Ukraine und an der Nato-Mitgliedschaft Italiens hatte, wird europaweit mit Erleichterung aufgenommen. Weiterhin gibt es Überlegungen in Europa, Melonis Partei in die bürgerliche Parteienfamilie EVP zu locken.

Doch wie sieht es mit dem Versuch des Umbaus des Staatsgefüges aus? Melonis Regierung hat weitreichende Verfassungsänderungen auf den Weg gebracht. Dazu zählt insbesondere der Anstoß zur Direktwahl des Premierministers. Weil Verfassungsänderungen einer (im Parlament nicht abzusehenden) Zweidrittelmehrheit bedürfen, kann die Reform nur per Volksentscheid verabschiedet werden. Das dürfte aber nicht vor 2027 geschehen. Kritiker befürchten eine Machtkonzentration beim Regierungschef, bislang garantiert der Staatspräsident ein gewisses Gleichgewicht im Fall von Regierungskrisen. Am Dienstag verabschiedete der Senat zudem die Justizreform in zweiter Lesung. Kritiker wähnen eine Gängelung der Staatsanwaltschaft, die Italiens Rechte seit den Zeiten Berlusconis im Visier hat. Ob es tatsächlich so kommt, bleibt abzuwarten.

Von besonderer Bedeutung für Meloni ist die Migrationspolitik. An ihr wird die Wählerschaft sie messen. Noch vor der Verschärfung der EU-Asylregeln im vergangenen Jahr verschärfte Italien sein Asylrecht. Zudem konnte Italien mithilfe bilateraler Abkommen mit nordafrikanischen Staaten wie Tunesien, Libyen oder Ägypten die Zahl der Migranten im vergangenen Jahr stark reduzieren. In diesem Jahr stiegen die Überfahrten über das Mittelmeer allerdings wieder an. Das Modell, Migranten ohne Aussicht auf Asyl in Albanien zu internieren und von dort abzuschieben, ist bislang gescheitert. Die Lager stehen leer.

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