China und Europa am Scheideweg

von Redaktion

Fröhliche Fotos, frostiges Verhältnis: António Costa, Xi Jinping und Ursula von der Leyen in Peking. Sowohl wirtschaftlich als auch geopolitisch gibt es Probleme. © IMAGO/Xie Huanchi

München/Peking – Wer die Homepage des chinesischen Außenministeriums besucht, wird von drei zufrieden dreinblickenden Menschen begrüßt: Links auf dem Foto steht EU-Ratspräsident António Costa, rechts Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und zwischen ihnen Chinas Staatschef Xi Jinping. Nach ein paar Sekunden wechselt das Bild, wieder sieht man Xi Jinping, nun schüttelt er gut gelaunt einem anderen Gast die Hände: Sergei Lawrow, der russische Außenminister, der ein paar Tage zuvor in Peking weilte. Dass die beiden Treffen so kurz hintereinander stattfanden, ist Zufall. Es zeigt aber auch, wie Xi Jinping auf die Welt blickt: Russland ist für China ein ebenso selbstverständlicher Partner wie es die Europäer sind.

„Wir rufen China auf, seinen Einfluss auf Russland zu nutzen, damit es die Charta der Vereinten Nationen respektiert und seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine beendet“, beschwor Costa zu Beginn des Treffens mit Xi Jinping. Es war der 25. EU-China-Gipfel in Peking – das erste Treffen dieser Art seit eineinhalb Jahren. Costa sagte im Anschluss, er und von der Leyen hätten mit Xi „ausführlich“ über die Lage in der Ukraine geredet, die Kommissionspräsidentin nannte Chinas Unterstützung für Russland einen „unmittelbaren und gefährlichen Einfluss auf die europäische Sicherheit“. In der Zusammenfassung des Treffens, die Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichte, kommen allerdings weder Russland noch die Ukraine vor. Chinas Prioritäten liegen eben woanders – egal, was der Besuch aus Europa sich wünscht. „Es gibt keine grundlegenden Interessenkonflikte oder geopolitischen Widersprüche zwischen China und Europa“, behauptete Xi sogar.

Auch die Klagen der Europäer über anhaltende Probleme beim Handel mit China wischte Xi einfach beiseite. „Die Herausforderungen, vor denen Europa derzeit steht, gehen nicht von China aus“, teilte Chinas Staatschef seinen Besuchern mit. China ist der drittgrößte Handelspartner der EU; umgekehrt ist die EU Chinas wichtigster Handelspartner. Allerdings ist das Verhältnis extrem unausgewogen. Im vergangenen Jahr lag das Handelsdefizit der EU bei 306 Milliarden Euro – China verkauft also deutlich mehr Güter in die EU als umgekehrt.

Betroffen ist vor allem Deutschland: Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft sind die deutschen Exporte nach China in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um rund 14 Prozent zurückgegangen. Zeitgleich importierte Deutschland zehn Prozent mehr aus der Volksrepublik.

Neben diesem massiven Ungleichgewicht sprach von der Leyen in Peking noch weitere Schmerzpunkte der Europäer an, etwa mangelhaften Zugang zum chinesischen Markt für europäische Unternehmen sowie die massiven Überkapazitäten der chinesischen Industrie, die ihre staatlich subventionierten Waren zu Billigpreisen nach Europa umleitet. Die Probleme seien derart gewaltig, dass die Beziehungen zu China an einem „Wendepunkt“ stünden, sagte von der Leyen, mehrfach forderten sie und Costa von Peking „konkrete“ Taten.

Sollte sich Peking nicht bewegen, „werden unsere Unternehmen und unsere Bürger verlangen, dass wir unsere Interessen verteidigen“, drohte von der Leyen dem chinesischen Premierminister Li Qiang, der die Europäer in Peking ebenfalls empfing. Bereits 2024 hatte die EU Zusatzzölle auf die Einfuhr von Elektroautos aus China eingeführt, ein Schritt, den Peking nun einmal mehr kritisierte. Immerhin: Bei den chinesischen Ausfuhrbeschränkungen für Seltene Erden und andere kritische Rohstoffe einigten sich beide Seiten auf einen Mechanismus, um Engpässe in Zukunft zu vermeiden. Und auch beim Thema Klimawandel will man wohl zusammenarbeiten. Das war die positive Botschaft, die von diesem Gipfel ausging.

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