Die Kinder in Gaza verhungern

von Redaktion

Palästinensische Kinder, die an Unterernährung leiden, werden im Al-Rantisi-Kinderkrankenhaus in Gaza-Stadt versorgt. Die WHO warnt im Gazastreifen vor einer tödlichen Krise. © dpa

München/Tel Aviv – Nach fast 22 Monaten Krieg im Gazastreifen breitet sich eine verheerende Hunger-Katastrophe in dem von Israel abgeriegelten Gebiet aus. Unicef-Regionaldirektor Edouard Beigbeder schlug am Freitag Alarm: „Kinder im Gaza-Streifen verhungern!“ Schwere Mangelernährung bei Kindern breite sich schneller aus, als Hilfe sie erreichen könne. „Und die Welt sieht tatenlos zu“, kritisierte Beigbeder.

Der Unicef-Regionaldirektor für den Nahen Osten und Afrika verwies auf Angaben der palästinensischen Behörden, denen zufolge innerhalb von 48 Stunden mindestens vier weitere Kinder verhungert seien. Insgesamt seien während des seit Oktober 2023 andauernden Krieges bereits mehr als 100 Menschen an Mangelernährung gestorben. 80 Prozent davon seien Kinder.

Ärzte ohne Grenzen erklärte, dass 25 Prozent der Kinder unter fünf Jahren sowie 25 Prozent der schwangeren und stillenden Frauen mangelernährt seien. Die von Israel organisierten Lebensmittelverteilungen „sind keine humanitäre Hilfe, sondern Kriegsverbrechen“, so Mohammed Abu Mughaisib von Ärzte ohne Grenzen in Gaza. „Diejenigen, die zu den Lebensmittelverteilungen der Gaza Humanitarian Foundation gehen, wissen, dass die Möglichkeit, einen Sack Mehl zu erhalten, gleich groß ist wie eine Kugel in den Kopf zu kriegen.“ Der Hunger ist so groß, dass inzwischen nicht nur die Zivilbevölkerung leidet, sondern auch die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Medien. Ein Helfer berichtet: „Kinder sagen ihren Eltern, dass sie in den Himmel wollen, weil es dort wenigstens etwas zu essen gibt.“

Die drei großen internationalen Nachrichtenagenturen AFP, Associated Press (AP) und Reuters sowie der britische Rundfunk BBC fordern Israel auf, Journalisten die Ein- und Ausreise aus dem Gazastreifen zu erlauben. „Wir sind zutiefst besorgt um unsere Journalisten in Gaza, die zunehmend nicht mehr in der Lage sind, sich selbst und ihre Familien zu ernähren“, teilten sie in einer gemeinsamen Erklärung mit. „Journalisten müssen in Kriegsgebieten viele Entbehrungen und Härten ertragen. Wir sind zutiefst alarmiert, dass die Gefahr des Verhungerns nun auch dazu gehört.“

Da der Gazastreifen abgeriegelt ist, sind westliche Medien auf Text-, Foto- und Videoberichterstattung palästinensischer Reporter angewiesen. „Wir haben keine Kraft mehr vor Hunger und Mangel an Lebensmitteln“, so AFP-Fotograf Omar al-Kattaa. „Es ist extrem schwierig, in Gaza Lebensmittel zu bekommen“, sagte der Videojournalist Jussef Hassuna. „Selbst wenn sie verfügbar sind, sind die Preise um das Hundertfache gestiegen.“ Auch der „Spiegel“ berichtete vom Schicksal seiner Mitarbeiter.

In Kürze sollen wohl wieder Hilfslieferungen aus der Luft für die Palästinenser in dem Gebiet abgeworfen werden. Die Flüge würden von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Jordanien koordiniert, sagte ein israelischer Vertreter. Ein Regierungssprecher warf der Hamas vor, die Verteilung von Lebensmitteln zu verhindern und Hilfsgüter für sich selbst zu erbeuten.

„Was wir sehen, ist ein Gemetzel, es ist Hunger als Waffe“, sagte Jonathan Whittall, Chef der Uno-Nothilfekoordination für die palästinensischen Gebiete, schon im Juni. „Es ist ein Todesurteil für Menschen, die nur versuchen zu überleben.“ Am vergangenen Sonntag kündigte Israel an, Whittalls Visum nicht zu verlängern.

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