Klare Worte: CSU-Politiker Stephan Mayer will Ukrainer vor die Wahl stellen – Arbeit oder Heimkehr. © Wunderlich/dpa
München – Es war ein Vorstoß, der für Empörung sorgte: „Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der West-Ukraine“, forderte der damalige CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Sommer 2024 mit Blick auf Flüchtlinge aus der Ukraine. Die SPD bezeichnete die Idee als „populistischen Unsinn“, für den sich die CSU schämen müsse. Man dürfe „nicht das Lied von Putins Freunden singen“, warnte die CDU. Nun flammt die Debatte erneut auf – und die Christsozialen bleiben ihrer harten Linie trotz aller Kritik treu.
Der Kern des Vorschlags ist weiterhin brisant und klingt wie ein Ultimatum: Arbeit finden oder Kriegsdienst leisten. Vor diese Wahl will CSU-Außenexperte Stephan Mayer künftig alle Ukrainer im wehrfähigen Alter gestellt sehen, die in Deutschland Bürgergeld beziehen. Der Bundestagsabgeordnete forderte gegenüber „Bild“, dass ukrainische Männer zwischen 18 und 63 Jahren keine Sozialhilfe mehr erhalten sollen. Stattdessen sollten sie „entweder hier bei uns in Deutschland arbeiten gehen oder in der Ukraine Wehrdienst leisten“, sagte er.
Mit der Einführung des Kriegsrechts wurde Wehrpflichtigen in der Ukraine – bis auf wenige Ausnahmen – die Ausreise verboten. Dennoch kamen seit Kriegsbeginn im Februar 2022 genau 304 144 Männer im wehrfähigen Alter aus der Ukraine nach Deutschland (Stand: 14. Juni 2025), so „Bild“. Knapp die Hälfte (49,54 Prozent) bezieht Bürgergeld. Für Mayer ein Missstand: „Wenn fast 151 000 Ukrainer zwischen 18 und 63 Jahren bei uns Stütze kassieren, dann stimmt etwas nicht.“ In Bayern beziehen 89 254 Ukrainer Bürgergeld.
Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann ist der Meinung, dass das System so nicht funktionieren kann: „Wir müssen grundsätzlich die Frage in den Blick nehmen, inwieweit es einen Automatismus geben kann, dass alleine die Herkunft Ukraine zu einer Bleibeperspektive im Sozialleistungsbezug in Deutschland führt, wenn bei uns dauerhaft keine Arbeit aufgenommen wird“, sagte er unserer Zeitung. Die CSU halte an Dobrindts Vorschlag von 2024 fest.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) lag der durchschnittliche monatliche Zahlungsanspruch für wehrfähige ukrainische Männer bei 882 Euro pro Person. Daraus ergibt sich nach Berechnungen der „Bild“-Zeitung eine jährliche Gesamtsumme von 1,328 Milliarden Euro. Um die Miet- und Heizkosten zu zahlen, muss der Staat vermutlich noch tiefer in die Tasche greifen. Laut BA beliefen sich die Wohnkosten aller Bürgergeldempfänger im März 2025 auf 1,48 Milliarden Euro.
Diese Beträge sind besonders mit Blick auf den Haushalt der schwarz-roten Regierung von Relevanz: Darin klaffen milliardenschwere Löcher, die es zeitnah zu stopfen gilt. Auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten gerät das Bürgergeld, Deutschlands umstrittenste Sozialleistung, immer wieder ins Visier der Koalitionäre.
Einen Bürgergeld-Stopp für Ukrainer, um Geld zu sparen, bewerten Wirtschaftswissenschaftler kritisch. Es sei wichtig, die Betroffenen weiter für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu machen. Im System Bürgergeld, erklärte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, bekämen sie Qualifizierung und Vermittlung. „Wenn das wegfällt, hätte es klare Nachteile – für die Betroffenen, aber auch für den Arbeitsmarkt.“
Die Aufgabe, ukrainische Geflüchtete auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, fällt den Jobcentern zu. Auch in München ist die Behörde dafür zuständig. Auf ihrer Website heißt es auf Ukrainisch: „Sie erhalten Zugang zu Finanzierungs- und Weiterbildungsangeboten wie Sprachkursen, Integrationskursen und Bildungsverbesserungen.“ Sollten derartige Angebote wegfallen, wäre es nach Einschätzung des Experten Weber für Ukrainer schwieriger, Jobs zu finden.
Wie Dobrindt 2024 sieht sich nun auch Mayer mit Vorwürfen des Populismus konfrontiert. Der ehemalige Botschafter Andrij Melnyk nannte seine Forderung eine „Pauschalisierung“ und sprach von einer „Hetzkampagne gegen ukrainische Geflüchtete“.