So deftig und urgewaltig dieses Format des Nockherberg-Derbleckens auch daherkommt (für Außerbayern kaum verständlich) – es ist ein Drahtseilakt. Der Anspruch der Millionen Zuschauer: Grob hergewatscht werden sollen die Politiker unbedingt, aber nicht zu grob. Ein bisschen beleidigt dürfen sie bitte zum Saal rausgehen, aber nicht verletzt. Eigentlich soll es alle genau gleich fest treffen, außer die CSU, die ein bisschen fester. Gleichzeitig steht das ganze Konzept auf tönernen Füßen: Dieser Starkbieranstich ist ein Stück Kulturgut, bei Licht betrachtet aber die PR-Veranstaltung einer Privatbrauerei, die mitsamt ihrer TV-Übertragung sofort in sich zusammensacken würde, falls die derbleckten Regierenden dem Abend fernblieben.
Es ist ein Kunststück, in diesem Spannungsfeld den Ton zu treffen. Maxi Schafroth hat es in den letzten Jahren zumeist nicht geschafft. Das war kein Problem seines bis ins Musikalische reichenden Talents oder der Bandbreite des wortmächtigen Allgäuers – sondern es war seine Einseitigkeit, links tadelnd-tätschelnd und rechts endlos donnernd, die im Saal zu vernehmbaren Buhrufen und am TV-Schirm zu Irritationen führte.
Das liegt auch am gesellschaftlichen Umfeld. Die Härte in der politischen Auseinandersetzung hat zugenommen. Die Angriffe auf Politiker sind von verbal grenzenloser und physisch grenzüberschreitender Brutalität geprägt. Was kann ein geißelnder Fastenprediger da noch überzeichnen? Die Anforderungen an Schafroths Erben Stephan Zinner (und/oder seine Redenschreiber) verschieben sich. Es braucht wieder den feineren, spitzeren Humor. Einen Redner, der nicht vom einseitig weit linken oder rechten Standpunkt aus anklagt – eine Fehlentwicklung in vielen Debatten, leider auch in der ausfransenden Medienlandschaft –, sondern reihum derbleckt. Zur Erinnerung: Der Starkbieranstich ist nicht Tag der Abrechnung und des Richtens, sondern eine feine, sehr bayerische Unterhaltung. Für den Nockherberg ist der Wechsel eine Chance zum Neustart.CHRISTIAN.DEUTSCHLAENDER@OVB.NET