Rekordschulden reichen nicht

von Redaktion

Herr über die Milliarden: Finanzminister Lars Klingbeil © dpa

Berlin/München – Lars Klingbeil sieht am Mittwoch aus wie immer. Kurze Haare, rote Krawatte, weißes Hemd. Von einer großen Last auf seinen Schultern ist zumindest äußerlich nichts zu sehen, als er in der Bundespressekonferenz ans Podium tritt, um seinen Haushalt zu präsentieren. Dabei sind die Zahlen im Raum alles andere als gewöhnlich. 850 Milliarden Euro Schulden will der Bundesfinanzminister bis zum Ende seiner Amtszeit aufnehmen. Das seien in nur fünf Jahren mehr als alle seine Vorgänger in sechs Jahrzehnten zusammen, hat das „Handelsblatt“ ausgerechnet. Und dennoch wird dieses Geld nicht reichen, um alle Vorhaben zu finanzieren – und das nicht einmal knapp. Von 2027 bis 2029 fehlen laut Klingbeils Ministerium über 172 Milliarden Euro.

Ein Faktor: Hohe Schulden kosten hohe Zinsbeträge. 2026 beträgt laut Haushalt allein der Schuldendienst 30,3 Milliarden Euro, 2027 sind es 41,3 Milliarden, 2028 dann 55,3 Milliarden, und 2029 fallen 66,5 Milliarden Euro an Zinskosten an. Ein anderer Grund, dass sich die Lücke zuletzt noch einmal vergrößert hat, sind milliardenschwere Kompensationen für Kommunen und Länder aufgrund von Steuerentlastungen für Firmen. Schon der Haushalt für 2027 werde „eine der größten innenpolitischen Herausforderungen der kommenden zwölf Monate“, sagt Klingbeil. Bei der anstehenden Suche nach Einsparpotenzial werde „sich jeder am Kabinettstisch bewegen müssen“. Er sei sich auch klar darüber, dass sich dadurch „die Beliebtheit des Finanzministers nicht unbedingt erhöhen wird“.

Wie genau gespart werden soll, ist derzeit noch in großen Teilen offen. Für die finanziell schon jetzt gebeutelten und von der Alterung der Gesellschaft in Zukunft noch stärker belasteten Sozialsysteme Rente, Gesundheit und Pflege wurden Reformkommissionen eingesetzt, die möglichst bald Ergebnisse liefern sollen. Wenn dort keine guten Ergebnisse erzielt würden, „kommen irgendwann die mit der Kettensäge“, mahnt der Finanzminister. Dass solch harte Eingriffe aus SPD-Sicht allerdings nicht der richtige Weg wären, macht Klingbeil auch gestern wieder deutlich. Es wäre „ein Riesenfehler“, zu denken, man brauche den Sozialstaat nicht mehr.

Grundsätzlich klar ist bereits, dass es Veränderungen beim Bürgergeld geben soll. Daraus errechnet sich die Bundesregierung für 2026 im Vergleich zu heute ein Einsparpotenzial von 1,25 Milliarden Euro, das bis 2028 auf drei Milliarden Euro ansteigen soll – was allerdings von der wirtschaftlichen Entwicklung abhänge.

Neben dem Sparen liegt die Hoffnung vor allem darauf, dass die anstehenden Investitionen fruchten und die Wirtschaft wieder anzieht. 126,7 Milliarden Euro sollen 2026 unter anderem in die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Betreuung und neuen Wohnraum fließen. Den höchsten Anstieg gibt es bei den Investitionen in Verteidigung. Um die Bundeswehr zu stärken, wurde für Verteidigungsausgaben die Schuldenbremse gelockert. Die Ausgaben sollen in den kommenden Jahren auch weiter massiv ansteigen.

Von der Opposition kommt vor allem Kritik. Grünen-Chef Felix Banaszak warf der schwarz-roten Koalition vor, „dass die zentralen Probleme entweder verdrängt, ignoriert oder irgendwie in die Zukunft verschoben werden“. Während sich die Koalition auf Dinge wie die Ausweitung der Mütterrente verständigt habe, würden Zukunftsaufgaben wie der Klimaschutz „komplett hintenangestellt“, sagte er im Deutschlandfunk. Linken-Chefin Ines Schwerdtner kritisiert, die Bundesregierung habe „einen reinen Rüstungshaushalt“ vorgelegt. Die AfD kritisiert eine durch Schulden finanzierte „nie da gewesene Ausgabenexplosion“. Klingbeil wolle „eine Art sozialdemokratisches Schlaraffenland“ schaffen.MIT DPA/AFP

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