Jeder kennt die „Münchener Rück“. Die wenigsten von uns aber haben eine Vorstellung davon, was ein Rückversicherungsvertrag eigentlich bedeutet. Es ist einfach eine Vereinbarung mit dem Erstversicherer (in der Fachsprache „Zedent“ genannt), worin der Rückversicherer bestimmte Risiken abdeckt, die der Erstversicherer mit seinen eigenen Versicherungsverträgen übernommen hat.
Das spielt nicht nur, aber besonders eine Rolle bei Großschäden, wie Naturkatastrophen, wo der Rückversicherer dem „Zedenten“ einen Teil der Schadenslast abnimmt, die er allein kaum tragen könnte. So ist es kein Zufall, dass die 1880 unter anderem mithilfe des Bankhauses Merck Finck & Co., München, gegründete Münchener Rück schon die Schäden des großen Erdbebens 1906 in San Francisco mitbezahlt hat. Die Beteiligung daran in Höhe von 2,6 Mio. US-Dollar (nach heutigem Geld 63 Mio. Euro) erfolgte teilweise aus Kulanzgründen, weil eigentlich nur Feuerschäden und kein Erdbeben versichert war. Diese vertrauensbildende Großzügigkeit aber sollte sich später im US-Markt für die Versicherung mehr als auszahlen.
Das blieb viele Jahre der größte einzelne Schadensfall. Die Anschläge auf das World Trade Center (WTC) in New York vom 11. September 2001 haben aber später alles Vorherige übertroffen. Schätzungen zufolge hatte die Münchener Rückversicherung zwischen zwei und drei Milliarden Euro zu zahlen. Dabei war zweifelhaft, ob es sich bei den Angriffen von zwei Flugzeugen auf die zwei Türme des WTC um ein oder um zwei Schadensereignisse gehandelt hatte. Um die Auszahlung zu begrenzen, haben die Münchener argumentiert, dass es nur ein Ereignis sei. In einigen Fällen wurde aber entschieden, dass zwei Schadensfälle vorlagen, was die Zahlungsverpflichtung verdoppelte.
Das finsterste Kapitel dieser Unternehmensgeschichte sind nicht solche Zahlungen, sondern die große Nähe und Willfährigkeit der Verantwortlichen gegenüber dem Nazi-Regime im Dritten Reich. Indirekt als Rückversicherer war man auch an der Ausraubung jüdischer Versicherungsnehmer beteiligt, die ihre Verträge kündigen mussten. Ebenso an Geschäften der SS. Zudem konnte das Unternehmen in München eine größere Zahl von Immobilien aus jüdischem Eigentum unter Preis kaufen. Vorstandschef Kurt Schmitt war aufgrund seiner Nähe zu Heinrich Himmler „ehrenhalber“ im Rang eines SS-Oberführers in die SS aufgenommen worden. Dazu war er mit Hermann Göring eng verbunden. Das alles war für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, der den Herren der auch im Krieg sehr erfolgreichen Versicherung vor allem am Herzen lag, sicher kein Schaden.
Schmitt soll sich zwar gegen die Ermordung der Juden geäußert haben, aber wie so viele setzte er sich gleichwohl mit den Tätern an einen Tisch.
Diese einer schlimmen Zeit geschuldeten Abstürze trüben das Bild des über nunmehr 145 Jahre so überaus klug geführten Unternehmens. Zu bewundern bleibt, wie dieses Unternehmen nach dem Krieg mit seriösen Vorständen weltweites Vertrauen zügig wiedergewinnen konnte. Die heutige Bedeutung als vor der Swiss RE weltweit größtem Rückversicherer ist kaum zu überschätzen.
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