Wieder mal so ein Gutachten. Diesmal weist eine Ökonomen-Gruppe im Auftrag des Ifo-Instituts darauf hin, dass Dramatisches auf unser Rentensystem zurollt und eine umfassende Reform unausweichlich ist. „Ach was“, möchte man den Experten ironisch zurufen, die ja auch nichts dafür können.
Dass Deutschland heute tatsächlich vor dieser Situation steht, ist eigentlich kaum zu glauben. Seit Jahrzehnten ist klar, wo das Problem liegt und längst auch, wann es mit Wucht zuschlägt. Generationen wurden schon in ihren Schulbüchern die Folgen des demografischen Wandels beigebracht. Unzählige Male wurde zudem öffentlich und laut gewarnt, was es heißt, wenn die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 2025 und 2040 in den Ruhestand gehen – in tausenden wissenschaftlichen Arbeiten, Parlamentsdebatten, Kommentaren, TV-Talkshows.
Auch eine Rentenkommission wie die, die jetzt noch schnell die Lösung erarbeiten soll, gab es inder Ära Merkel schon einmal. Sie konnte sich nur auf nichts Substanzielles einigen – wohl nicht zuletzt, weil die beteiligten Parteienihren Wählern, unter denen die Gruppe der Rentner und Beinahe-Rentner stetig wächst, keinerlei Härten zumuten wollten. Längst gilt deshalb der Wahlspruch: Soll sich doch die nächste Regierung drum kümmern. Schlimmer noch: Statt das Problem am Schopf zu packen, wurden noch Brandbeschleuniger wie die sogenannte Rente mit 63 beschlossen, mit der die Union 2013 das Ja der SPD zur Mütterrente erkaufte.
Nun drängt die Zeit, bevor nichts mehr geht. Bis 2031 steigt das Rentenalter auf 67 – wer noch mal darüber sprechen will, ob das reicht, muss es jetzt tun. Doch die Reaktionen auf einen entsprechenden Vorstoß von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche zeigen, dass die SPD das nicht will. Das Rentenniveau soll auch nicht sinken. Stattdessen jedoch einfach die große Last auf die Beitragszahler abzuladen und ihnen gleichzeitig ein marodes System zu vererben, ist himmelschreiend unfair. Gelingt es auch dieser Regierung nicht, einen Ausgleich zu finden, um die Ungerechtigkeit zumindest deutlich abzufedern, wäre es der unrühmliche Schlussakt eines in der Geschichte der Bundesrepublik wohl einzigartigen Versagens.SEBASTIAN.HORSCH@OVB.NET