Netanjahu will Gaza-Krieg ausweiten

von Redaktion

Kritik an Israels Politik: Eine Demonstrantin in Tel Aviv hat ihre Hände rot gefärbt. © Jack Guez/AFP

München – Angesichts schockierender Videos von abgemagerten Geiseln der islamistischen Hamas will Benjamin Netanjahu den Gaza-Krieg ausweiten. Er strebe danach, die Freilassung der Geiseln „auf dem Weg eines militärischen Sieges“ zu erreichen, erklärte der israelische Premier. „Ich verstehe genau, was die Hamas will. Sie will keinen Deal.“ Er sei nun noch entschlossener, die Geiseln zu befreien, die Hamas zu eliminieren und dafür zu sorgen, dass vom Gazastreifen nie wieder eine Gefahr für Israel ausgeht, sagte Netanjahu.

Das Forum der Geisel-Familien übte derweil deutliche Kritik an seinen Äußerungen. „Seit 22 Monaten wird der Öffentlichkeit die Illusion verkauft, dass militärischer Druck und intensive Kämpfe die Geiseln zurückbringen werden“, heißt es in der Erklärung des Forums, das die Mehrheit der Familien der 50 noch festgehaltenen Geiseln vertritt. „Die Wahrheit muss gesagt werden: Die Ausweitung des Krieges gefährdet das Leben der Geiseln, die in unmittelbarer Todesgefahr schweben. Wir haben die erschreckenden Bilder der Geiseln in den Tunneln gesehen, sie werden weitere lange Tage des Grauens nicht überleben.“

Die Hamas hatte in den vergangenen Tagen Videos veröffentlicht, in denen zwei bis auf die Knochen abgemagerte und geschwächte Geiseln warnen, dass ihr Tod nahe sei. Die jungen Männer kritisieren darin Regierungschef Netanjahu.

In einem beispiellosen Schritt stellen sich zwei ehemalige Generalstabschefs der israelischen Armee und fast alle noch lebenden ehemaligen Direktoren desAuslandsgeheimdienstes Mossad, des Militärgeheimdienstes Amanund des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet sowie Ex-Polizeipräsidenten gegen die Regierung Netanjahu: „Stoppen Sie den nutzlosen Krieg, bringen Sie die Geiseln sofort zurück“, erklärten sie. Die pensionierten Männer verwiesen auf ihre Erfahrung, „mehr als 1000 Jahre Erfahrung auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik“, um auf die Bedeutungsschwere ihrer Botschaft hinzuweisen. „Das Problem ist, dass eine Minderheit die Politik kontrolliert“, so die Ex-Geheimdienstchefs über Netanjahus in Teilen rechtsradikale Koalitionspartner.

Unterdessen ist der Konflikt zwischen der Regierung und Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara weiter eskaliert. Am Montag beschloss das Kabinett einstimmig die Absetzung der Juristin. Das Kabinett begründete diesen Schritt mit mangelndem Vertrauen. Baharav-Miara hatte sich wiederholt gegen Regierungsbeschlüsse gestellt, etwa in der umstrittenen Justizreform oder bei Einschränkungen der Medienfreiheit während des Zwölftagekriegs mit dem Iran. Im israelischen Rechtssystem spielt die Generalanwältin eine wichtige Rolle zur Sicherung rechtsstaatlicher Prinzipien. Es wird allerdings erwartet, dass das Oberste Gericht den Regierungsbeschluss aufhebt.

Das Hamas-Propaganda-Video hat unterdessen auch die Gaza-Debatte in der schwarz-roten Koalition angeheizt. „Die deutsche Nahost-Politik macht einen Riesenfehler, wenn sie sich der kognitiven Kriegsführung der Hamas unterwirft und einer Täter-Opfer-Umkehr das Wort redet“, kritisierte CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. „Es gilt, unverbrüchlich an der Seite Israels zu stehen und die pro-palästinensischen israelfeindlichen Narrative in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zu entlarven.“ Demgegenüber forderte SPD-Fraktions-Vize Siemtje Möller „Maßnahmen“ gegenüber Israel, wenn das Land nicht schnell für eine bessere Versorgung der Menschen im Gazastreifen sorge.

Auf Städte-Pläne, hilfsbedürftige Kinder aus dem Gazastreifen und Israel aufzunehmen, hat Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) zurückhaltend reagiert. Es sei zunächst einmal wichtig, vor Ort zu helfen, sagte er gegenüber ntv. Hannover und Düsseldorf hatten vergangene Woche angekündigt, Kinder aus dem Gazastreifen und Israel aufnehmen zu wollen, die schutzbedürftig oder traumatisiert sind. (MIT DPA)