Wer geht ins Rennen? Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (li.) neben seinem Wirtschaftsminister Sven Schulze (beide CDU). © Hendrik Schmidt/dpa
Magdeburg/München – Reiner Haseloff deutet mit dem ausgestreckten Zeigefinger vom Rednerpult aus ganz nach rechts. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident ist aufgebracht – man merkt es an seiner Gestik und an seiner Stimmlage. Immer wieder wurde er zuvor von Zwischenrufen der AfD-Fraktion unterbrochen, auf die er nun zeigt. „Dies ist mein Heimatland“, ruft er den AfD-Abgeordneten im Landtag in Magdeburg zu. „Das werden Sie nicht verhunzen!“ Als das Sitzungspräsidium versucht, wieder Ruhe in den Saal zu bringen, legt Haseloff noch einmal nach. „Ich bin in diesem Land geboren, und ich werde in diesem Land sterben“, ruft der 71-Jährige über den Lärm hinweg. „Und ich werde alles dafür tun, dass Sie nie an Regierungsverantwortung kommen.“
Haseloff ist der dienstälteste unter den 16 deutschen Länderchefs und gilt eigentlich als ruhiger Mensch. „Streng in der Sache, milde in der Form, treu sich selbst“ – das sei sein Motto, sagt er. Doch das politische Klima in dem kleinen Ost-Bundesland ist rau geworden. Die AfD drängt an die Macht, will die CDU verdrängen, will Haseloff verdrängen. Schon vor fünf Jahren war es nur formell die CDU, die die Rechtspartei noch einmal in Schach hielt und die Landtagswahl gewann. In Wahrheit war es vor allem Haseloff selbst, den auch Grüne und Rote wählten, weil sie die Alternative nicht wollten – und ihm, der sich immer wieder glaubwürdig distanziert, trauten. Doch letztlich war auch das nur ein Etappensieg.
Nun steht die nächste Etappe an. Am 6. September 2026 wird erneut der Landtag in Sachsen-Anhalt gewählt, und heute soll klar werden, ob es noch einmal Haseloff sein wird, der der AfD für die CDU entgegentritt, oder ein jüngerer Kandidat. Nämlich Sven Schulze (46), bisher Wirtschaftsminister und CDU-Landeschef. Auch eine Übergabe von Haseloff an Schulze – Wahlsieg vorausgesetzt – nach zwei Jahren gilt als mögliche Option.
Die Entscheidung ist zwischen den beiden Männern bereits gefallen, am Donnerstag um 12.30 Uhr sollen Landesvorstand und Landtagsfraktion informiert werden, danach die Öffentlichkeit. Nach außen gedrungen ist bis Mittwochabend nichts.
Schulze stünde für einen Generationenwechsel. Haseloff steht für Beständigkeit wie kaum ein anderer deutscher Politiker. Schon 1976, als die deutsche Wiedervereinigung noch unabsehbar war, trat der Katholik in der DDR in die dortige Blockpartei CDU ein. Seit 1990 sitzt er im CDU-Landesvorstand, 2002 wurde er erstmals Staatssekretär, 2006 Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt, seit 2010 ist er Ministerpräsident, regiert aktuell in einer sogenannten Deutschlandkoalition mit SPD und FDP.
Die Umfragen sagen ein enges Rennen voraus. Im Juni lag die CDU (34 Prozent) knapp vor der AfD (30 Prozent). Bei der Bundestagswahl und den Kommunalwahlen lag zuletzt die AfD vorne. SPD (7), FDP (2) und Grüne (3) liegen weit abgeschlagen hinter der Linkspartei (11) und dem BSW (8). Für die AfD geht bei der Landtagswahl Ulrich Siegmund ins Rennen, 34 Jahre alt und über 560 000 Follower auf TikTok. „Wir wollen die Alleinregierung übernehmen“, hat er klargemacht.
Für den Fall, dass Sachsen-Anhalt diesmal an die AfD gehen sollte, erwägt Haseloff wegzuziehen. Schon mehrmals hat er das angekündigt. Im Magdeburger Landtag habe man schon heute manchmal, wenn man die Augen zumache und den Rednern der AfD zuhöre, das Gefühl, „in der letzten Phase der Weimarer Republik im Reichstag“ zu sitzen – oder schon „später“ im Berliner „Sportpalast“, wo Hitlers Propagandachef Joseph Goebbels seine Reden hielt, hat er der „Bild“ gesagt. Auch seine Frau und viele in seinem Umfeld würden sich dann „die Grundsatzfrage stellen, ob man sich dies antun möchte“. Er habe „Familie in ganz Deutschland“, sagt Haseloff – übrigens auch in Bayern, einer seiner beiden Söhne arbeitet als Staatsanwalt in Bayreuth.
Doch so weit will Haseloff es nicht kommen lassen. „Diesen Gefallen werde ich Ihnen nicht tun“, hält er den AfD-Abgeordneten in seiner Rede vor der Sommerpause entgegen. Und fügt hinzu: „Sie haben sich schon oft als Sieger gefühlt.“ Es klingt wie eine Kampfansage.