Mitglieder des Bundes der Vertriebenen sitzen in Tracht beim Festakt. © dpa
Stuttgart – Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat die Aufbauleistung der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg als „eine der ganz großen Erfolgsgeschichten der Bundesrepublik“ gewürdigt. Darüber werde viel zu wenig gesprochen, „obwohl in diesem Mut zum Neubeginn, in diesem Mut zur Verantwortung, den die Vertriebenen und später die Aussiedler und Spätaussiedler an den Tag gelegt haben, so viel Vorbildkraft auch für heute steckt“, so Merz. Oft seien Vertriebene und Spätaussiedler in der Nachkriegszeit behandelt worden wie „Menschen zweiter Klasse“. Aber trotz Kriegstraumata, Ausgrenzung und widrigsten Bedingungen hätten Millionen deutscher Vertriebener in den 1950er und 60er Jahren „mitgearbeitet am deutschen Wirtschaftswunder und an dem wirtschaftlichen Fundament, das unser Land bis heute trägt“, sagte der Kanzler.
Merz sprach beim Festakt im Neuen Schloss zum 75. Jahrestag der Verkündung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen. Es war zugleich der Auftakt zum diesjährigen „Tag der Heimat“ des Bundes der Vertriebenen. Am 5. August 1950 hatten sich in Stuttgart-Bad Cannstatt 30 Vertreter der verschiedenen Landsmannschaften getroffen und die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ unterzeichnet. Sie wurde tags darauf auf dem Stuttgarter Schlossplatz und im ganzen Bundesgebiet verkündet.
„Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung“, lautet ein Schlüsselsatz des Dokuments. 12 bis 14 Millionen Deutschen waren infolge des Zweiten Weltkrieges aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches und anderen ost- und südosteuropäischen Ländern vertrieben worden. Sie waren geflohen etwa aus Ostpreußen, Pommern, dem Sudetenland und Schlesien und kamen mit wenig Hab und Gut in die Bundesrepublik und die DDR. In der Charta wird die „Schaffung eines geeinten Europas“ als Ziel genannt, zugleich aber auch auf ein „Recht auf die Heimat“ als eines der von Gott geschenkten Grundrechts der Menschheit verwiesen. „Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser Erde“, heißt es weiter.
Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV) und Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, räumte ein, dass in der Charta die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg nicht explizit benannt wird. Die Charta, die bis heute Wertegrundlage des BdV ist, sei ein Dokument ihrer Zeit, sagte er im ZDF. „Aus heutiger Sicht hätte man natürlich die Schuldfrage vielleicht deutlicher formuliert“, sagte er.
Merz sagte indes, die Charta sei „visionär“ gewesen, dass sie die Arbeit an einem „freien und geeinten Europa“ als Ziel ausgegeben habe. Heute sei „der Krieg zurück in Europa“, sagte Merz. Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer seien auf der Flucht.MM/KNA/EPD