Umstrittene Hilfe aus der Luft

von Redaktion

Palästinenser eilen zu den Hilfspaketen, die von der Luftwaffe über dem Gazastreifen abgeworfen wurden. © Eyad Baba/AFP

Amman – Die Luke des Transport-Airbus 400M öffnet sich drei Minuten vor dem Abwurf. Der Blick fällt erst auf das Meer, dann auf den Gazastreifen. Gleißende Sonne fällt auf Trümmer, so weit das Auge reicht. Von hier oben nicht zu erkennen: Die Menschen dort unten, die von einer Hungersnot bedroht sind. Ihnen gilt die Ladung, die nun aus dem Flugzeug an Fallschirmen zu Boden gleitet.

„Für mich fühlt sich das immer sehr positiv an, weil ich weiß, dass wir Leuten damit helfen“, sagt der Pilot einer der Bundeswehr-Maschinen, Stabshauptmann Dieter, den Nachnamen lässt er weg. Seit Freitag macht die Bundeswehr solche Abwürfe mit ihren Transportmaschinen, die normalerweise im niedersächsischen Wunstorf stationiert sind. Nun lässt sie sich dabei von Journalisten über die Schulter schauen.

Wie viele der Güter aus dem Flugzeug auf dem Boden bei denen landen, für die sie gedacht sind, weiß niemand. Aus deutschen Sicherheitskreisen hieß es am Wochenende, 50 bis 100 Prozent der Güter würden die Hamas oder andere kriminelle Organisationen abzweigen. Das gilt aber für Hilfslieferungen insgesamt.

Hilfsorganisationen sehen das Ganze skeptisch, wenn auch besser als nichts. „Luftabwürfe wirken in dieser Lage wie Pflaster auf offene Wunden: teuer, riskant und kaum steuerbar“, sagt der Vertreter des UN-Welternährungsprogramms (WFP) in Deutschland, Österreich und Liechtenstein, Martin Frick. „In überfüllten humanitären Zonen ist eine geordnete Verteilung mit Hilfsgütern, die aus der Luft kommen, kaum möglich – das Verletzungsrisiko ist hoch, die Kosten sind 34-mal höher als bei Landtransporten.“

Pilot Dieter sieht solche Gefahren nicht, „weil unsere Drop-Zone breit genug ist“. Selbst wenn der Schirm abreiße, falle die Ladung dort auf den Boden, wo niemand stehe. „Wir suchen unsere Drop-Zonen ganz genau heraus.“

Zwei deutsche Maschinen mit jeweils 22 Paletten – jede mit ungefähr 500 Kilogramm Gewicht – haben von einer jordanischen King Abdullah II Air Base gemeinsam Kurs auf den Gazastreifen genommen. Jede Bundeswehr-Maschine wirft pro Flug elf bis zwölf Tonnen an Gütern ab. Seit Freitag sind es laut Bundeswehr inzwischen knapp 75 Tonnen insgesamt.

Seit gut einer Woche lässt Israel nach internationalem Druck nicht nur Luftabwürfe zu, sondern gewährt auch täglich rund 200 Lastwagen von UN- und anderen Organisationen die Einfahrt in das Küstengebiet. Mehr als 170 000 Tonnen an Lebensmitteln allein des Welternährungsprogramms sind nach dessen Angaben in der Region oder auf dem Weg dorthin. Das genüge, um die Bevölkerung des Gazastreifens (rund 2,1 Millionen Menschen) fast drei Monate lang zu ernähren – wenn sie denn hineinkämen.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu dringt Medienberichten zufolge trotz Einwänden der Militärführung auf eine vollständige Einnahme des Gazastreifens. Die israelische Nachrichtenseite „ynet“ zitierte ranghohe Beamte aus Netanjahus Umfeld mit den Worten: „Die Würfel sind gefallen – wir beabsichtigen, den Gazastreifen vollständig zu besetzen.“ In dem Bericht wird jedoch darüber spekuliert, dass dies auch Teil einer Verhandlungstaktik sein könnte, um die islamistische Terrororganisation Hamas angesichts der festgefahrenen Gespräche über eine Waffenruhe und Freilassung der Geiseln unter Druck zu setzen.

Netanjahu selbst hatte zuvor nur gesagt, er werde in dieser Woche das Sicherheitskabinett einberufen, um über das weitere Vorgehen im Gazastreifen zu entscheiden. „Ich verstehe genau, was die Hamas will. Sie will keinen Deal“, hatte der Regierungschef in einer Video-Botschaft gesagt. Er sei nun noch entschlossener, die Geiseln zu befreien, die Hamas zu eliminieren und dafür zu sorgen, dass vom Gazastreifen nie wieder eine Gefahr für Israel ausgeht.

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