KOMMENTARE

Die zwei Ursachen des Leids

von Redaktion

Israels Vorgehen in Gaza

Der israelischen Regierung sind nach fast zwei Jahren Krieg nicht viele Freunde geblieben. Selbst Berlin, das sich nachvollziehbarerweise keine allzu forschen Belehrungen erlaubt, setzt sich seit Kurzem vorsichtig, aber spürbar vom Kurs Benjamin Netanjahus ab. Die Gründe liegen offen da: Hunger, Vertreibung, das nicht zu leugnende Leid hunderttausender Palästinenser. Aus dem gerechten Krieg um die Würde, die Sicherheit, die Existenz Israels ist ein Krieg ohne Maß und Ziel geworden.

Davor kann und darf man die Augen nicht verschließen. Zumal es den extremistischen Teilen der Netanjahu-Regierung erkennbar darum geht, das Palästinenser-„Problem“ durch Dominanz, Entrechtung oder Schlimmeres zu lösen. Der neue Plan, gegen den ausdrücklichen Rat hoher Militärs den Gazastreifen zu besetzen, wird den Verantwortlichen nicht zufällig als blindwütiges, strategisch nicht sinnvolles Manöver ausgelegt – eines, das das Land weiter Ansehen und Unterstützung kosten könnte.

Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Denn während sich die Welt gerade auf Israel als Alleinverantwortlichen für das Gaza-Elend einschießt, vergisst sie die andere Seite. Die Hamas, die diesen Krieg durch ihr blutrünstiges Gemetzel losgetreten hat, mag militärisch dramatisch geschwächt sein. Sie bringt es aber noch immer fertig, Teile der wenigen Hilfslieferungen abzuzweigen, Raketen abzufeuern, sich hinter und unter zivilen Einrichtungen zu verschanzen. Genau genommen hält sie nicht allein 20 Israelis als Geiseln, sondern auch zwei Millionen Palästinenser. Sie bleibt eine Bedrohung.

Wenn es also eine nachvollziehbare Konstante in diesem Krieg gibt, dann die: Sein Ende ist an das Ende der Hamas geknüpft – als politischer Akteur, wenn sie das denn jemals wirklich war, und vor allem als militärische Organisation. Auch wenn es in der Sorge um die vielen Hungernden in Gaza ein wenig unterging: Ausgerechnet die umliegenden arabischen Staaten scheinen das begriffen zu haben: Sie forderten gerade die Entwaffnung der Terrorbande.

Auch der Hamas gehen die Freunde aus, daraus lässt sich Hoffnung schöpfen. Die Welt darf Israels Regierung kritisieren, gerne scharf, sie sollte aber ebenso viel Energie aufbringen, den Druck auf die Hamas zu maximieren. Auch für die Palästinenser, die eine Zukunft in Eigenständigkeit und Würde verdient haben.MARCUS.MAECKLER@OVB.NET

Artikel 1 von 11