„Verantworte ich alleine“: Friedrich Merz steht zu seiner Entscheidung – in seiner Partei finden das nicht alle gut. © Tobias Schwarz/AFP
Berlin/München – Schadensbegrenzung durch den Bundeskanzler höchstpersönlich: Friedrich Merz hat öffentlich seine Israel-Politik erklärt und den in eigenen Reihen heftig umstrittenen Teilstopp von Rüstungsexporten verteidigt. „Die Grundsätze der deutschen Israel-Politik sind unverändert“, betonte der CDU-Chef in einem Interview der ARD-„Tagesthemen“. „Wir werden diesem Land auch weiter helfen, sich zu verteidigen.“ Aber die Bundesregierung könne nicht Waffen liefern in einen Konflikt, der hunderttausende zivile Opfer fordern könnte.
Für Merz ist es eine Flucht nach vorn – denn er war in den vergangenen Tagen in der eigenen Partei, in der Schwesterpartei CSU und auch in der Öffentlichkeit immer stärker unter Druck geraten. Der Auslöser: elf Sätze, am Freitagmittag veröffentlicht. Die schwarz-rote Bundesregierung werde bis auf Weiteres keine Exporte von Rüstungsgütern mehr genehmigen, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen könnten, erklärte Merz.
Der Kanzler begründete seine Entscheidung mit der israelischen Ankündigung, den Militäreinsatz in der Region ausweiten und die Stadt Gaza einnehmen zu wollen. Welche Rüstungsgüter genau nun nicht mehr geliefert werden sollen – und welche Auswirkungen das überhaupt in Israel haben könnte, blieb offen.
Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) signalisierte sofort seine Unterstützung, auch SPD-Chefin Bärbel Bas. stellte sich hinter Merz. „Ich finde, Friedrich Merz zu unterstellen, er würde Israel verraten, das ist schon starker Tobak“, sagte die Arbeitsministerin. Aus der CSU und Teilen von Merz‘ eigener Partei dagegen kam heftige Entrüstung: Mehrere Unionsabgeordnete sprachen von einem schweren Fehler. Die CSU beklagte, sie sei an der Entscheidung nicht beteiligt gewesen und halte sie für bedenklich. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann kritisierte: „Das wäre eine Abkehr von Jahrzehnten außenpolitischer Kontinuität gegenüber Israel und als solche zumindest erklärungsbedürftig.“ Auch wenn sich Parteichef Markus Söder nicht offiziell äußert – so klar stellt sich die Schwesterpartei selten gegen den Kanzler.
In der Unionsfraktion zog man zudem die nächste Eskalationsstufe und vereinbarte eine Videoschalte der Außenpolitiker mit Merz‘ außenpolitischem Berater Günter Sautter.
Noch vor dieser Aussprache suchte Merz nun selbst die Öffentlichkeit. Die Bundesregierung habe beim Vorgehen im Gazastreifen einen Dissens mit der israelischen Regierung, sagte Merz. Solche Kritik müsse eine Freundschaft aushalten. Merz reagierte auch auf die Vorwürfe der CSU, sie sei in die Entscheidung nicht eingebunden gewesen. „Ich habe diese Entscheidung nicht allein getroffen, aber es ist dann am Ende des Tages eine Entscheidung, die ich allein verantworten muss“, sagte er. Es gehe um eine grundsätzliche Haltungsfrage, die könne er „nicht zur demokratischen Abstimmung stellen“.
Er habe immer wieder mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gesprochen, so Merz. Netanjahu selbst äußerte sich in Israel zu der deutschen Ankündigung. Merz sei „ein guter Freund Israels“, sagte er. Die Entscheidung des Kanzlers führte er auf öffentlichen Druck durch aus seiner Sicht falsche Medienberichte über Gaza zurück. Dem widersprach der Bundeskanzler.
Vor dem Interview herrschte in der Unionsfraktion teils dicke Luft. Doch der Kanzler bekommt aus den eigenen Reihen auch Zustimmung. Fraktionsvize Norbert Röttgen sagte der Mediengruppe Bayern außenpolitisches Handeln sei geboten gewesen, und „in der Sache richtig, rechtlich wie politisch“. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer stellte sich an die Seite von Friedrich Merz. Der Kanzler habe immer klargemacht, dass Deutschland fest an der Seite Israels stehe.
Der CSU-Politiker Stephan Mayer sagte dem „Tagesspiegel“, er habe Verständnis für die Besorgnis des Kanzlers bezüglich der humanitären Lage im Gazastreifen und der Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts, die Offensive auszuweiten. „In der Analyse sind wir nicht auseinander. Die Frage ist, ob die Entscheidung eines partiellen Waffenlieferungsstopps die richtige Antwort darauf ist. Da habe ich und viele andere Kollegen eine andere Auffassung“, betonte Mayer.