Der Kanzler hat sich wieder mal gedreht. Wie schon bei der Schuldenbremse hat Friedrich Merz nun auch in der Frage der Israel-Unterstützung eine Kehrtwende vollzogen. Die CSU hat er dabei nicht nur nicht gefragt, sondern auch gar nicht informiert – und die Union damit vor eine Zerreißprobe gestellt.
Auch wenn die militärischen Auswirkungen überschaubar sein dürften: Dass ausgerechnet Deutschland Israel einen Teil seiner Unterstützung entzieht, hat große Symbolkraft. Dass Merz den Sprengstoff, der in seiner Entscheidung liegt, nicht gesehen hat, ist deshalb nahezu ausgeschlossen. Auch die gerne erzählte Geschichte vom angeblich immer wieder impulsiv und emotionsgetrieben handelnden Sauerländer, greift wohl zu kurz. Wahrscheinlicher ist: Merz hat der CSU nicht Bescheid gesagt, weil er wusste, dass sie da nicht mitgeht. Kaum jemand in vergleichbarer Position hat sich beispielsweise öffentlich so sehr an Netanjahus Seite gestellt wie CSU-Innenminister Alexander Dobrindt. Anschließend von ihm zu erwarten, dass er einen Stopp von Waffenlieferungen mitträgt, wäre schlicht unrealistisch gewesen. Der Kanzler hat deshalb Fakten geschaffen, hinter die auch die CSU nicht mehr zurückkommt. Dass sie ihm deshalb die Gefolgschaft aufkündigen könnte, scheint er nicht zu fürchten.
Staatsräson, oder nicht: Nachdem Merz Israel immer wieder ermahnt hat, hat er sich offenbar gezwungen gesehen, Taten folgen zu lassen. Der Unions-Ärger darf aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Schritt für ihn mit Blick auf das größere Bild auch gar nicht so unbequem ist, wie es zunächst scheinen mag. Der Kanzler schwenkt damit auf den Kurs der großen europäischen Partner Frankreich und Großbritannien ein und löst sich ein Stück weit von einer israelischen Regierung, deren Handeln kaum noch berechenbar ist, geschweige denn beeinflussbar. Zudem ist seine Entscheidung auch in der deutschen Öffentlichkeit keineswegs unpopulär, wo Netanjahus Kriegsführung längst auf breite Kritik stößt. Und seinem anderen Koalitionspartner – den Sozialdemokraten – kommt er damit weit entgegen. Das macht auch deutlich: Merz braucht die CSU, aber er braucht die SPD mindestens genauso.