München – Andreas Audretsch ist stellvertretender Fraktionschef der Bundestags-Grünen.
100 Tage Schwarz-Rot bedeuten für die Grünen 100 Tage Opposition – schon an die neue Rolle gewöhnt?
Friedrich Merz wollte die Ampel in den vergangenen Jahren scheitern sehen. Wir machen das anders. Wir sind kritisch, auch deutlich, aber konstruktiv, wenn es für das Land nötig ist. 500 Milliarden Euro Sondervermögen und die Reform der Schuldenbremse, gegen die sich Merz früher immer gesträubt hat: Wir haben für Merz alle Möglichkeiten geschaffen, eine gute Regierung zu sein.
Macht er was draus?
Leider werden die wichtigen Dinge nicht vorangetrieben. In den Bereichen Wirtschaft und Klimaschutz bewegen wir uns sogar rückwärts. Wer einen Gas-Boom befeuert, das mit vielen Milliarden Euro subventioniert und gleichzeitig kein Geld hat, um die Stromsteuer für alle zu senken, zäumt das Pferd von hinten auf. Da scheint Wirtschaftsministerin Katherina Reiche noch sehr in ihrem alten Job als Gaslobbyistin verhaftet zu sein. Dazu kommt: Unser Land wird ganz konkret ungerechter. Die Allerreichsten profitieren von den Milliarden an Steuersenkungen der Koalition am allermeisten. Und die Koalition ist auch in sich selbst nicht stabil, wie die von Jens Spahn und der Union verpatzte Richterwahl gezeigt hat.
Ist Friedrich Merz aus Ihrer Sicht also ein rundum schlechter Kanzler?
Er hat am Anfang außenpolitisch einiges gut gemacht. Der Schulterschluss mit der Ukraine und Europa war richtig. Wenn der Kanzler gute Dinge tut, hat er auch unsere Unterstützung. Wir machen keine Pauschalopposition. Doch leider läuft angesichts der enormen Möglichkeiten erschreckend viel überhaupt nicht gut.