Auf den Euro genau haben die Autoren nachgerechnet. © dpa
Düsseldorf – Vollzeitbeschäftigte mit Mindestlohn haben einer neuen Studie zufolge deutlich mehr Geld zur Verfügung als Bezieher von Bürgergeld. Das gelte für Alleinstehende ebenso wie für Alleinerziehende und Paare mit Kindern, und zwar in allen Regionen Deutschlands, rechnet das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vor.
Mit der Studie widerspricht das WSI der Vermutung, das Bürgergeld sei so hoch, dass der Anreiz zu gering entlohnter Arbeit fehle. Gerechnet wurde mit dem heutigen Mindestlohn von 12,82 Euro die Stunde. Einbezogen wurde, dass Menschen mit so geringem Lohn gegebenenfalls Anspruch auf Sozialleistungen wie Wohngeld, Kindergeld oder Kinderzuschlag haben. Die Rechenbeispiele beziehen sich auf Arbeit in Vollzeit. Unberücksichtigt bleibt, dass Bezieher von Bürgergeld mehr Freizeit haben.
Gerechnet wurden drei Fallbeispiele. So kommt ein alleinstehender Mann mit Mindestlohn den Berechnungen zufolge auf 2121,58 Euro brutto im Monat. Davon bleiben nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben 1546 Euro. Zusammen mit dem rechnerischen Anspruch auf 26 Euro Wohngeld ergebe sich ein verfügbares Einkommen von 1572 Euro. Dagegen stünden dem Mann im Bürgergeld 563 Euro Regelsatz und bei gleicher Miete 451,73 Euro für die Unterkunft zu. Zusammen wären dies 1015 Euro – 557 Euro weniger.
Fall zwei ist eine alleinerziehende Frau mit einem fünfjährigen Kind. Sie käme in Vollzeit mit Mindestlohn auf netto 1636 Euro. Mit Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und Unterhaltsvorschuss seien es 2532 Euro. Beim Bürgergeld wären es laut WSI insgesamt 1783 Euro, also 749 Euro weniger.
Drittes Beispiel: Ein Ehepaar mit einem Verdiener mit Mindestlohn und zwei Kindern im Alter von fünf und 14 Jahren hätte im Bürgergeld 660 Euro weniger, haben die Experten kalkuliert.
Regional gebe es Unterschiede beim Lohnabstand, doch die beruhten auf der Höhe der Mietkosten. Im Landkreis München, in Dachau und in der Stadt München falle der Lohnabstand bei einem Single-Haushalt mit 379 bis 444 Euro am geringsten aus. In Nordhausen (662) und dem Vogtlandkreis (652) sei er am größten.
Erneut zeige sich, dass Bürgergeldempfänger „unabhängig vom Haushaltstyp und von der Region, in der sie wohnen, weniger Geld haben als Erwerbstätige, die zum Mindestlohn arbeiten“, sagte WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. Zudem werde deutlich, mit wie wenig Menschen im Bürgergeld auskommen müssten. „Die Behauptung, sie wollten nicht erwerbstätig sein, weil sich mit dem Bürgergeld gut leben lasse, ist sachlich falsch und stigmatisierend.“
Statt bei der Höhe des Bürgergelds bestehe Handlungsbedarf bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Helfen würde auch Qualifizierung von erwerbsfähigen Menschen im Bürgergeldbezug, fügte sie hinzu.