Endstation für den Bahnchef: Richard Lutz verlässt das Unternehmen demnächst. Er dürfte weich fallen. Die Nachfolge ist noch offen. © Tobias Schwarz/AFP
Berlin/München – Unpünktliche Züge, marodes Schienennetz, rote Zahlen – die Probleme bei der Deutschen Bahn sind immens. Noch ist nicht bekannt, wer die Nachfolge von Richard Lutz beim, wie der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder mal sagte, „zweitverrücktesten Job der Republik“. Spekuliert wird fleißig, etwa über DB-Regio-Chefin Evelyn Palla, die Südtirolerin wäre die erste Frau an der Spitze. Ex-Finanzminister Jörg Kukies wird genannt, der gelernte Investmentbanker ist allerdings in der SPD. Michael Peter, Chef von Siemens Mobility und Ingenieur, ist mit der Bahnbranche bestens vertraut. René Obermann, früher Vorstandschef der Telekom und aktuell Vorsitzender des Aufsichtsrats von Airbus, ist der prominenteste Name.
Egal, wer es wird: Es warten große Herausforderungen, die sich nicht in kurzer Zeit werden lösen lassen. Die Bahn dürfte erst einmal eine Dauer-Baustelle bleiben – und das unter besonderer Beobachtung der Politik und geplagten Kunden.
Die Pünktlichkeit ist das Dauerärgernis für die Fahrgäste. Im Fernverkehr wurden zuletzt nicht einmal zwei Drittel der Halte pünktlich erreicht. Allzu oft fallen zudem Züge aus oder sind überfüllt, während andernorts nur selten einer fährt. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) will am 22. September eine neue Bahn-Strategie vorstellen. „Die Bahn muss pünktlich, sicher und sauber sein“, sagte Schnieder nur. Zudem müsse der Konzern „schneller, schlanker, schlagkräftiger und auch wirtschaftlicher“ werden. Derzeit sei die Lage „dramatisch“. Idealerweise könne der oder die neue Vorstandsvorsitzende bis zum 22. September gefunden und dann gemeinsam mit der Strategie präsentiert werden.
Nächstes Problem: die Infrastruktur.Die Bahn führt marode, hoch belastete Strecken als Hauptgrund für die unpünktlichen Züge an. Deswegen sollen rund 40 besonders belastete Strecken bis 2036 einer Generalsanierung unterzogen werden. Das Motto: keine schrittweise Sanierung im laufenden Betrieb, sondern monatelange Vollsperrungen für umfassende Modernisierungen. Derzeit wird die Strecke Hamburg – Berlin grundlegend saniert. Für Fahrgäste bedeutet das zunächst lange Belastungen.
Doch die Entwicklung der Infrastruktur und des Bahnbetriebs hängt stark vom Wohlwollen im Regierungsviertel ab – und vom Geld, das die Politik bereitstellt. Die Bahn-Infrastruktur wurde jahrzehntelang vernachlässigt, die Folge ist ein riesiger Investitionsstau im höheren zweistelligen Milliardenbereich. Die Bahn erhielt zuletzt zwar deutlich mehr Geld, dennoch warnte Lutz davor, dass auch das nicht reiche, um die Bahn zukunftsfest zu machen. Der Fokus liegt derzeit vor allem auf der Sanierung des Bestandsnetzes. Für Neu- und Ausbauprojekte fehlt Geld. Diese aber sind zentral, um die Ziele des „Deutschlandtakts“ erreichen zu können. Der soll irgendwann die wichtigen Hauptachsen im halbstündlichen Takt verbinden.
Der nächste Ärger nähert sich bereits: Zum Jahreswechsel läuft der Tarifvertrag mit der GDL aus. Unter ihrem Ex-Chef Claus Weselsky setzte die Gewerkschaft meist auf Konfrontation, bestreikte die Bahn vielfach und sorgte ein ums andere Mal für tausende Zugausfälle. Die große Frage ist: Wird Weselskys Nachfolger Mario Reiß auch so aggressiv und lautstark in den Kampf für höhere Gehälter und andere Arbeitsbedingungen ziehen?
Zuvorderst muss sich darum DB-Personalvorstand Martin Seiler kümmern. Doch je länger sich die Tarifrunde dieses Mal hinzieht, desto belastender dürfte die Tarifauseinandersetzung auch für den Start des neuen Bahn-Chefs werden. Wenn wenige Wochen nach dem Wechsel auf dem Chefposten der gesamte Fernverkehr stillsteht, wirft das kein gutes Licht auf den Neuen an der Spitze – und zahlt sicher nicht auf die Kundenzufriedenheit ein.