Bringt sie nach Hause – jetzt: Familien und Freund der Hamas-Geiseln protestieren in Tel Aviv für ein sofortiges Ende des Krieges. Gestern kam es in Israel zu Streiks. © Jack Guez/AFP
Tel Aviv – Vor der geplanten Ausweitung des Gaza-Kriegs auf dicht besiedelte Gebiete wie die Stadt Gaza bereitet Israel die Umsiedlung von Palästinensern innerhalb des abgeriegelten Küstenstreifens vor. Die Militärbehörde Cogat wollte noch am Sonntag die Lieferung von Zelten und Ausstattung für die Unterkünfte wieder aufnehmen. Dies sei Teil der Vorbereitung der Evakuierung der Bevölkerung aus Kampfgebieten. Die Menschen würden zu ihrem Schutz in den Süden des Gazastreifens gebracht, teilte Cogat mit. Wo genau die Menschen hin sollen, erklärte die Behörde nicht. Auch ist unklar, wann die Evakuierung beginnen soll.
Der Plan zur Ausweitung des Gaza-Kriegs sieht die Einnahme der Stadt Gaza und zentraler Flüchtlingslager zur Zerschlagung der palästinensischen Terrororganisation Hamas vor. Der israelische Generalstabschef Ejal Zamir hatte Medienberichten zufolge vor großen Risiken für Soldaten und im Gazastreifen verbliebene Geiseln gewarnt, am Ende aber Planungen zur Erfüllung der Vorgaben der politischen Führung des Landes eingeleitet. Die humanitäre Lage in dem inzwischen weitgehend verwüsteten Gaza-Streifen ist weiterhin katastrophal.
Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza vom Samstagnachmittag kamen bei israelischen Angriffen in den 24 Stunden zuvor 62 Palästinenser ums Leben. 29 von ihnen seien im Zusammenhang mit der Verteilung von humanitären Hilfsgütern getötet worden, was in den vergangenen Wochen immer wieder passierte. Die Zahl der Toten seit Beginn des Gaza-Kriegs sei damit auf fast 62000 gestiegen. Die Behörde unterscheidet bei ihren Angaben nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten. UN-Organisationen schätzen die Zahl aber als weitgehend glaubwürdig ein.
In Israel wachsen derweil die innenpolitischen Spannungen. Mit Streiks und Protesten brachten zahlreiche Israelis ihre Solidarität mit den Geiseln zum Ausdruck, die seit fast zwei Jahren von der Hamas im Gazastreifen festgehalten werden. Mehr als 200 000 Menschen versammelten sich am Sonntagabend im Zentrum von Tel Aviv, wie die Organisatoren unter Berufung auf Polizeischätzungen mitteilten.
Die Demonstranten forderten die Beendigung des Gaza-Kriegs und die sofortige Freilassung der Hamas-Geiseln. Zudem riefen sie die israelische Regierung dazu auf, ihre Entscheidung rückgängig zu machen, die Stadt Gaza und andere Gebiete im Gazastreifen einzunehmen. Mehr als 30 Menschen wurden nach Angaben der Polizei festgenommen. In Jerusalem wurden Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt.
Die Organisation der Geiselangehörigen hatte für Sonntag – dem Beginn der israelischen Arbeitswoche – zu einem landesweiten Streik aufgerufen. Man werde „das Land zum Stillstand bringen“, hatte Einav Zangauker angekündigt – ihr Sohn Matan ist eine von 20 lebenden Geiseln im Gazastreifen. Bereits in den Morgenstunden blockierten Demonstranten zahlreiche Straßen im Land, darunter auch eine zentrale Schnellstraße in der Küstenmetropole Tel Aviv.
Der mächtige Gewerkschafts-Dachverband Histadrut schloss sich dem Streik zwar nicht an, äußerte aber Verständnis für den Schritt. Zahlreiche Unternehmen sowie Kommunen streikten. Auch die Opposition rief dazu auf, sich zu beteiligen. Mehrere ehemalige Hamas-Geiseln, die während einer Waffenruhe im Frühjahr freigekommen waren, hielten ein Spruchband mit der Aufschrift: „Bringt sie jetzt heim!“