Blutige Botschaft von Putin: Vor dem Treffen in Washington greift Moskau ein Wohnhaus im ukrainischen Charkiw mit Drohnen an. Sieben Menschen sterben. © Marienko/dpa
Jetzt geht es um die großen Details. In Washington wird über die Zukunft der Ukraine verhandelt. Doch wie können die versprochenen Sicherheitsgarantien für das von Russland angegriffene Land aussehen und sollten auch deutsche Truppen einen künftigen Frieden sichern? Im Interview mit unserer Zeitung, erklärt Andreas Heinemann-Grüder, Politikexperte und Konfliktforscher an der Universität Bonn, welche Szenarien denkbar sind.
Vor dem Treffen in Washington greift Moskau erneut und brutal zivile Objekte in der Ukraine an. Ist das Putins blutige Botschaft an die Verhandler in Washington?
Putin hat schon in Alaska deutlich gemacht, dass er keinen Waffenstillstand, sondern nur ein Endabkommen will. Insofern meint er jetzt keine besondere Friedfertigkeit demonstrieren zu müssen. Er erhöht einfach den Druck auf Trump, der den Druck dann an Selenskyj weitergibt.
Zentrales Thema bei den Verhandlungen sind Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Was wäre die wirkungsvollste Garantie?
Die absolut wirkungsvollste Garantie wäre natürlich eine Nato-Mitgliedschaft.
Die haben die USA aber bereits abgeräumt.
Genau. Deswegen sind zum Beispiel Pufferzonen denkbar, die links und rechts von der Kontaktlinie – also auf russischer und ukrainischer Seite – eingerichtet und international überwacht werden. Möglich wäre auch, bestimmten Artilleriebeschuss einzustellen, Flugverbotszonen einzurichten oder Waffen in bestimmten Zonen zu begrenzen.
Eine Nato-ähnliche Sicherheitsgarantie ist also unrealistisch?
Die USA und die europäischen Staaten haben immer eine oberste Priorität: Eine direkte Konfrontation mit Russland zu vermeiden. Deswegen gibt es keine Bereitschaft – jenseits der Stärkung der ukrainischen Streitkräfte –, es selbst auf eine militärische Konfrontation mit russischen Truppen ankommen zu lassen.
Muss Deutschland mit seiner europäischen Führungsrolle auch den Frieden in der Ukraine sichern? Stichwort Bodentruppen.
Der Abschreckungseffekt ist aus europäischer Perspektive nur da, wenn die Amerikaner beteiligt sind. Dass die Europäer also bereit sind, ohne US-Beteiligung Bodentruppen in die Ukraine zu schicken, ist eher unrealistisch. Und da Trump eigentlich den Konflikt möglichst schnell vom Tisch haben will, sind auch US-Truppen unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Ukrainer mit Waffen, Ausbildung oder einer gemeinsamen Rüstungsproduktion unterstützt werden.
Ist es also nur ein vorgeschobener Grund von Außenminister Wadephul, dass ein Einsatz in der Ukraine die Bundeswehr überfordern würde?
Es ist eine Mischung aus Unfähigkeit und Unwilligkeit. Zum einen bringt allein die Zusage von 5000 deutschen Soldaten beim Nato-Mitgliedsstaat Litauen die Bundeswehr tatsächlich an ihre Grenzen. Zum anderen fehlt es auch am Willen.
Weil es auch in der Bevölkerung keinen Rückhalt gibt?
Die Bundeswehr hat schon mal die Sicherheit der Bundesrepublik am Hindukusch verteidigt. Nach dem 11. September ist das durchaus innenpolitisch vertretbar gewesen. Aber seither gibt es eine ganz große Müdigkeit. Es wäre zwar kein gänzliches Novum. Denn Deutschland war im Kosovo beteiligt, hat Eufor-Truppen in Bosnien-Herzegowina mit gestellt und war auch in Mali vertreten.
Warum dann nicht in der Ukraine?
Beim Ukraine-Krieg wären es Kampftruppen gegenüber einer Atommacht, und da herrscht ein ganz anderes Bewusstsein für Eskalationsrisiken. Eine Bereitschaft, dieses Risiko einzugehen, hat es in den letzten dreieinhalb Jahren – trotz der Rede von Zeitenwende – nicht gegeben. Und zwar parteiübergreifend nicht.
Kritiker sagen, Deutschland wäre bei Bodentruppen Kriegspartei.
Deutschland kann jedenfalls sehr schnell zu einer Kriegspartei werden und das möchte es nicht ohne die Nato.
Gibt es also keine Chancen auf europäische Friedenstruppen in der Ukraine?
Die einzige Alternative wäre, wenn es ein Mandat des UN-Sicherheitsrats gibt, bei dem sich die Amerikaner, Russen und auch Chinesen einig sind. Auf dieser Grundlage könnte eine UN-Mission mit deutschen Soldaten entsendet werden. Denkbar wäre dann ein rotierendes Kommando, möglichst auch mit Nicht-Nato-Staaten. Das könnte Russland dann auch nicht als Bedrohung sehen.