Gezanke in den eigenen Reihen: Fraktionschef Jens Spahn (CDU) will schlichten. © Nietfeld/dpa
München – In der Sommerpause sind für Jens Spahn vor allem Wohlfühltermine angesagt. Ein Besuch bei der CDU in Köln, Unternehmerdialog in Leverkusen, Bürgerdialog in Jüchen – eine Stadt, die bei der letzten Bundestagswahl immerhin noch mit knapp 37 Prozent die CDU gewählt hat. Hier, im rund 500 Kilometer entfernten Nordrhein-Westfalen, wirkt das oft so lästige Politgeschäft in Berlin für ihn weit weg.
Denn trotz der parlamentarischen Sommerpause muss der Unionsfraktionschef gerade Beziehungsarbeit in der noch immer frischgebackenen Koalition leisten. Dass Schwarz-Rot keine Liebeshochzeit war, wissen mittlerweile alle. Zu laut war der Zoff über die Stromstreuer, zu offen wurde der Streit über die Wahl der Verfassungsrichter ausgetragen.
Jetzt will Spahn die ständigen Querelen beenden, indem er auf eine Maßnahme setzt, für die eher Unternehmen als Politiker bekannt sind: Teambuilding. „In Union und SPD gibt es viele Kollegen, die erst noch Bekanntschaft miteinander machen müssen“, erklärt Spahn im „Focus“. Im Zweifel müsse das einfach mal bei einem gemeinsamen Abend passieren – „quasi als Teambuilding-Maßnahme“.
Damit meint der Fraktionschef wohl auch sich selbst. „Matthias Miersch und ich hatten früher persönlich kaum miteinander zu tun: Er war Teil der Regierungskoalition, ich in der Oppositionsfraktion“, sagt Spahn über seinen SPD-Amtskollegen. „Da braucht man schon ein bisschen Zeit, damit das gegenseitige Vertrauen wachsen kann“, findet Spahn. Auch Miersch ist gerade dabei, „eine gute Vertrauensbasis aufzubauen“. Auf einer Skala von null bis zehn würde er sein Verhältnis zu Spahn mit einer Sieben bewerten, verrät er gegenüber RTL/ntv. Der Kennenlernabend war also auch eine gemeinsame Entscheidung.
Tatsächlich hat vor allem die geplatzte Richterwahl die Koalition massiv belastet (siehe Kasten). Allerdings hat Spahn auch Schwierigkeiten, die eigenen Reihen zusammenzuhalten. Erst erzürnte die Kanzler-Entscheidung zum Lieferstopp von Waffen an Israel die Schwesterpartei CSU, jetzt entzweit sich die Union beim Thema Truppen für die Ukraine.
Was mögliche deutsche Soldaten in der Ukraine betrifft, hat Spahn seine Unions-Kollegen nun zu Zurückhaltung aufgerufen. In einem Schreiben nennt er das eine „medial vorangetriebene Frage“, die sich so verkürzt nicht stelle. „Schon gar nicht zum jetzigen Zeitpunkt.“
Doch andere in der CDU wollen diese mögliche europäische Sicherheitsgarantie für das von Russland angegriffene Land so gar nicht schnell, schnell vom Tisch haben. „Wir können doch nicht auf der einen Seite sagen, dass unsere Abhängigkeit vom US-Militär reduziert und Europa endlich erwachsen werden muss, und auf der anderen Seite die Verantwortung verweigern, wenn es zum ersten Mal konkret wird“, sagt Johannes Winkel, Chef der Jungen Union. Zwar handele es sich noch um einen „hypothetischen Fall“, allerdings müsse im Fall der Fälle „Deutschland bereit sein“.
Härtere Worte kommen wie so oft von der FDP-Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie attestiert Spahn gleich „Realitätsverweigerung“. Schließlich habe Kanzler Friedrich Merz selbst das Thema aufs Tableau gebracht. (MIT DPA)