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Botschaft an Putin: Frieden – oder Taurus

von Redaktion

Westen vor Kursänderung

Die Ukrainer müssten sich als Vorposten der freien Welt mit einem auf den Rücken gebundenen Arm gegen einen erbarmungslosen Angreifer verteidigen: In dieses Bild kleidet Kiew schon lange seinen Vorwurf an seine westlichen Partner, man erhalte keine Mittelstreckenraketen, um Nachschublinien im russischen Hinterland zu treffen, während Putin pausenlos auch weit von der Front entfernte ukrainische Städte mit Raketen terrorisiere. Es lässt aufhorchen, dass sich nun auch US-Präsident Trump dieses Argument zu eigen macht, wenn auch mit einer anderen Metapher: Die Ukraine sei wie ein „tolles Sport-Team, das eine fantastische Defensive hat, aber dem man nicht erlaubt, offensiv zu spielen“. So könne man nur verlieren.

Wie immer bei Trump weiß man nicht, ob sich dahinter ein Kurswechsel in der Ukrainepolitik verbirgt. Doch sollten wenigstens die Europäer Putin klar zu verstehen geben: Wenn er die Friedensverhandlungen weiter mit unerfüllbaren Forderungen sabotiert und den Westen an der Nase herumführt, dann wird man die Ukrainer mit Taurus-Raketen und anderen weiter reichenden Systemen ausrüsten, um endlich Waffengleichheit herzustellen. Vielleicht kommt der Kreml dann endlich zu dem Ergebnis, dass es Zeit ist, sich mit dem Erreichten zufrieden zu geben. Vor eine ähnliche Alternative hat der Westen 1979 die Sowjetunion mit dem Nato-Doppelbeschluss gestellt und die Stationierung von Pershings in Mitteleuropa angekündigt, falls Russland nicht auf seine neuen SS-20-Raketen verzichtet, die damals Westeuropa bedrohten. Das dadurch ausgelöste Wettrüsten führte letztlich zum Kollaps der Sowjetunion.

Auch heute verfügt der Westen über unvergleichlich größere Ressourcen als das marode Putin-Reich, nicht aber über den Willen, sich dessen Eskalationsdominanz zu widersetzen. Zu Recht bringen die Grünen jetzt die Taurus-Lieferung wieder auf die politische Tagesordnung in Berlin. Es gehört (bisher) zu den enttäuschenden Wandlungen des Bundeskanzlers Merz, dass er die Taurus-Lieferung, für die er als Oppositionsführer noch so energisch gestritten hat, auf dem Koalitionsaltar geopfert hat. Darüber muss, falls Putin die gesamte Ukraine zu zerstören versucht, mit der SPD jetzt dringend gesprochen werden.GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET

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