Aufruhr vor dem Verteidigungsministerium: Am Wochenende haben die Geiselfamilien in Tel Aviv und Umgebung demonstriert – auch vor Privathäusern von Ministern. © Jack Guez/AFP
Tel Aviv/Gaza – Angehörige von Geiseln im Gazastreifen haben vor den Wohnsitzen einzelner Minister für eine Waffenruhe und einen Deal mit der Hamas über eine Freilassung der Entführten demonstriert. „Wir werden ein weiteres Hinauszögern nicht vergeben“, hieß es in einer Mitteilung des Forums der Geiselfamilien. „Hört auf das Volk: Beendet diesen Krieg und bringt alle heim.“
Die Demonstranten versammelten sich vor den privaten Wohnsitzen von sechs Regierungsmitgliedern, darunter Verteidigungsminister Israel Katz und Außenminister Gideon Saar. Am Dienstag ist in Israel erneut ein großer landesweiter Protesttag geplant.
Die islamistische Terrororganisation Hamas hatte vergangenen Montag erklärt, sie habe einem neuen Vermittler-Vorschlag für eine Waffenruhe zugestimmt. Dabei handelt es sich Medienberichten zufolge um eine angepasste Fassung eines zuvor bereits verhandelten Vorschlags des US-Sondergesandten Steve Witkoff. Dieser sieht eine 60-tägige Waffenruhe vor, während der zunächst zehn Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge freikommen. Insgesamt werden noch 50 Geiseln im Gazastreifen festgehalten, nur noch 20 davon sind am Leben.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat einen Plan zur Einnahme Gazas bereits gebilligt, gleichzeitig aber neue Verhandlungen mit der Hamas in Aussicht gestellt.
Der israelische Oppositionspolitiker Benny Gantz schlägt dem unter Druck stehenden Netanjahu unterdessen eine gemeinsame Übergangsregierung vor, um die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen zu erreichen. Netanjahu ist für sein politisches Überleben bislang auf rechtsextreme Koalitionspartner angewiesen, die ein Abkommen mit der islamistischen Terrororganisation Hamas über eine Waffenruhe strikt ablehnen.
Die Geiseln seien in Lebensgefahr, „ihre Zeit läuft ab“, sagte Gantz. Mit Blick auf Videoaufnahmen von bis auf die Knochen abgemagerte Geiseln erinnerte der Oppositionspolitiker an seine Mutter Malka, eine Überlebende des Konzentrationslagers Berg
Der ehemalige Verteidigungsminister hatte Netanjahus Regierung 2024 nach Meinungsverschiedenheiten verlassen. Nun forderte er auch andere Oppositionspolitiker auf, sich mit ihm gemeinsam für ein halbes Jahr einer „Regierung zur Freilassung der Geiseln“ anzuschließen. Diese müsse mit einer Vereinbarung beginnen, die alle 50 Geiseln – darunter 20 lebende – heimbringe. Im kommenden Frühjahr müsse es dann eine Neuwahl geben, sagte Gantz.
Die Chancen für ein solches Bündnis gelten allerdings als äußerst gering. „Wenn Netanjahu nicht zustimmt, dann wissen wir, dass wir alles getan haben“, sagte Gantz. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich soll laut Medien Angehörigen der Geiseln gesagt haben, er werde aus der Regierung austreten, sollte Netanjahu einem Waffenruhe-Deal mit der Hamas zustimmen.
Laut der Nachrichtenseite „ynet“ tritt das Sicherheitskabinett am Dienstag zusammen, um über die Einsatzpläne zur Einnahme der Stadt Gaza abschließend abzustimmen. Zudem werde es um den Stand der indirekten Verhandlungen über ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln gehen, bei denen neben den USA auch Katar und Ägypten als Vermittler fungieren.