„Sozialstaat nicht finanzierbar“

von Redaktion

Offene Tür, offene Worte: Friedrich Merz empfängt am Sonntag Besucherscharen im Bundeskanzleramt. © Fabian Sommer/dpa

München – Man kann nicht behaupten, Friedrich Merz habe einen erholsamen Urlaub hinter sich. Mehrfach musste der Bundeskanzler die ohnehin kurze Auszeit am Tegernsee unterbrechen, nicht zuletzt für den spektakulären Ukraine-Gipfel bei Donald Trump im Weißen Haus. Am Samstag hat er nun seinen ersten planmäßigen Auftritt nach der Pause. Parteitag der CDU Niedersachsen in Osnabrück. Und offensichtlich will der Kanzler vor der grummelnden Parteibasis ein klares Signal setzen. Auch in Richtung Koalitionspartner.

Er werde es den Sozialdemokraten bewusst nicht leicht machen, kündigt Merz an. „Ich werde mich durch Worte wie Sozialabbau und Kahlschlag – und was da alles kommt – nicht irritieren lassen. Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar.“ Aber der Appell richte sich an alle: „Lasst uns zusammen zeigen, dass Veränderungen möglich sind, dass Reformen möglich sind.“

Es ist eine kleine Ruckrede, die der Kanzler da hält. Und er wird sie noch ein paar Mal wiederholen müssen. Denn zum Ende der Sommerpause knirscht und knarzt es an allen Ecken der Koalition. Es ist kein akuter Streit, eher eine permanente Dokumentation der großen Differenzen zwischen Union und SPD. Die waren allen Beteiligten natürlich klar, als sie am 5. Mai ihre Unterschriften unter den Koalitionsvertrag setzten. Aber fast täglich kommen derzeit Vorschläge zu Steuererhöhungen aus der SPD. Und fast täglich das passende Dementi aus der Union.

Am Wochenende steht die Erbschaftsteuer im Mittelpunkt. Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger sagt, es dürfe keine „Denkverbote“ geben. „Wir können nochmal einen Blick auf die Erbschaftssteuer werfen.“ Die biete sehr viele Gestaltungsspielräume, die oft „zu einer ganz geringen Steuerlast führen“. Und ihr Parteichef Lars Klingbeil wiederholt: „Menschen, die sehr hohe Vermögen und Einkommen haben, sollten ihren Teil dazu beitragen, dass es in dieser Gesellschaft gerechter zugeht. Gerade in diesen extremen Zeiten.“

Diesmal übernimmt Merz das Dementi höchstpersönlich. „Mit dieser Bundesregierung unter meiner Führung wird es eine Erhöhung der Einkommenssteuer für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland nicht geben.“ So geht es schon seit Tagen.

Am Sonntag ist Merz dann zurück in Berlin. Tag der offenen Tür der Bundesregierung. „Meine Frau wird das wahrscheinlich ein bisschen anders beurteilen, aber ich habe mich erholt“, sagt er.

Auch CSU-Chef Markus Söder ist in der Stadt. Nicht nur für den Döner, den er (Stichwort „Söder isst“) freudig in den Sozialen Medien präsentiert, sondern auch für ein ARD-Interview. Die Regierung müsse den Sozialstaat „updaten, ihn effizienter machen“, sagt Söder dort. Es müsse gegen den Missbrauch von Sozialleistungen vorgegangen werden, sichergestellt, dass diejenigen Leistungen erhalten, die darauf wirklich angewiesen seien – „und nicht reihenweise Leute, bei denen man zumindest extrem skeptisch ist“.

Der Bayer macht klar, wo er Einsparpotenzial sieht: „Bürgergeld weg und auch grundlegend ändern, Heizgesetz deutlich reduzieren.“ Und Steuererhöhungen? „No way, no Chance“, sagt Söder. Und legt nach: „Wir haben uns eigentlich vorgenommen, die Einkommenssteuer zu reduzieren. Das wäre unser Ziel – gerade auch für den Mittelstand, gerade für die Fleißigen, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“ Die Erbschaftsteuer sollte regionalisiert werden: Dann könnten die SPD-Länder erhöhen, und Bayern sie „massiv senken“.

Dass man beim Sozialstaat „richtig ran“ müsse, sagt am Sonntag auch SPD-Vizekanzler Klingbeil und macht gleichzeitig klar, wie schwer die Verhandlungen werden dürften: „Was nicht funktionieren wird, ist, dass man sagt, wir sparen jetzt 30 Milliarden beim Sozialstaat ein.“ Es müsse am Ende ein Gesamtpaket sein, das alle in der Gesellschaft herausfordern werde. „Es kann nicht sein, dass man bei denen, die wenig haben, sagt, ihr gebt jetzt noch ein bisschen was ab, und bei denen, die viel haben sagt, ihr müsst nichts machen.“

Also vielleicht doch auch eine Vermögenssteuer? Söder winkt vorsorglich ab. Es habe sich in der Praxis erwiesen, „dass das Ganze nicht funktioniert: rechtliche Probleme, praktische Probleme“. Zudem gingen alle Steuererhöhungen meist zulasten mittelständischer Betriebe – „deswegen sind wir dagegen“.

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