Chicago – wirklich so unsicher?

von Redaktion

In Washington D.C. ist die Nationalgarde bereits präsent. © AFP

Chicago – Mitte August tummeln sich an den Stränden des Lake Michigan zehntausende Erholungssuchende, während zwei Tage lang Piloten bei einer Wochenend-Luftfahrtschau über dem Gewässer akrobatische Übungen vorführen. Die Stimmung ist entspannt und friedlich, viele Familien haben Grillgeräte mitgebracht. Die Polizei von Chicago, der drittgrößten US-Metropole, hat an diesen Tagen beim Strandvergnügen wenig zu tun. Sie widmet sich vor allem Falschparkern und einem tödlich verunglückten Schwimmer.

Angesichts dieser vorwiegend idyllischen Szenen wirken die jüngsten Aussagen von US-Präsident Donald Trump schwer nachvollziehbar. Er hat am Freitag Chicago als „Katastrophe“ bezeichnet und analysiert, dass die Stadt unter einer Kriminalitätswelle ersticke.

Deshalb wolle er auch in Kürze – so wie es schon in Los Angeles und der Regierungshauptstadt Washington geschehen ist – Mitglieder der Nationalgarde nach Chicago schicken, um dort wieder für Recht und Ordnung zu sorgen. Der Bürgermeister der Stadt, der afroamerikanische Demokrat Brandon Johnson, will sich diese Bevormundung natürlich nicht bieten lassen – und wirft Trump vor, eine Krise „zu fabrizieren“.

Doch wie gefährlich ist es in der auch bei deutschen Touristen beliebten „Windy City“ wirklich? Freunde in der Stadt sehen vor allem die Schlagzeilen in den örtlichen Medien – und thematisiert werden vor allem Gewaltverbrechen. Wie am Wochenende der Luftfahrtshow, wo abseits der Strände die Gerichtsmediziner vor allem im Süden und Westen der Stadt wieder einiges zu tun hatten. Mindestens 27 Verbrechen mit Schusswaffen registrierte die Polizei innerhalb von 48 Stunden, fünf Menschen überlebten dies nicht. Zwar sind der Polizeistatistik zufolge Gewaltverbrechen von 2024 auf 2025 um 31 Prozent zurückgegangen. Doch für viele Bürger zählt nur die Zahl der Morde – 256 sind es bis zum 17. August gewesen. Dazu kommt: Die Gewalt rückt auch in Viertel vor, die bisher als relativ sicher vor Banden-Kriminalität galten. Wie der Stadtteil River North, wo Anfang Juli Verbrecher von Fahrzeugen aus auf eine Menschenmenge feuerten. Es gab dabei vier Tote und 14 teilweise schwer Verletzte.

Wer Chicago besucht, bekommt deshalb von seinen Gastgebern schnell eine Fülle an Empfehlungen, die mittlerweile auch für das Stadtzentrum um die Michigan Avenue gelten: Möglichst bei Dunkelheit nicht zu Fuß gehen. Im Fall eines Überfalls keinen Widerstand leisten, da die Täter fast immer bewaffnet sind. Und die so berühmte S-Bahn, die man nur unter dem Begriff „L“ kennt, nachts nicht mehr benutzen, da es auf den Stationen und in den Wagen so gut wie keine Polizeipräsenz gibt. Dieses Vakuum könnte beispielsweise die Nationalgarde Trumps füllen. Und auf die Truppen käme wohl auch eine Absicherung von Schulen zu. Denn im letzten Jahr gab es mehr als 3000 Schießereien, die in einer Entfernung von weniger als 170 Metern zu Schulgebäuden stattfanden.FD

Artikel 6 von 11