Entwicklungsministerin Alabali Radovan besichtigt im Westjordanaland ein durch die israelische Armee zerstörtes Familienhaus. © Kausche/dpa
Jerusalem/Ramallah – Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) hat zu Beginn ihrer dreitägigen Nahost-Reise die Aktivitäten israelischer Siedler im Westjordanland und in Ost-Jerusalem scharf verurteilt. „Es ist wichtig für uns zu sehen, was hier passiert“, sagte die Ministerin am Dienstag nach der Besichtigung eines zerstörten Hauses in dem Dorf Al-Dschudaira im besetzten Westjordanland. Deutschland habe leider „in den letzten Jahren die Augen verschlossen“, was den Siedlungsbau betrifft, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Adis Ahmetovic, der sie auf der Reise begleitete.
Mohammed Abdelhamid Eid (51) zeigte den Besuchern aus Deutschland die Trümmer seines Hauses, das nach Angaben von UN-Mitarbeitern am 4. August von der israelischen Zivilverwaltung abgerissen wurde. Vier Jahre lang habe er versucht, eine Genehmigung zu erhalten, um auf seinem Grundstück ein Haus zu errichten – ohne Erfolg. Dann habe er schrittweise angefangen zu bauen, immer wieder bei der Verwaltung nachgefragt. Eine Antwort habe er nie erhalten.
Bediako Buahene vom UN-Nothilfebüro (OCHA) erklärte, die Zerstörung von Wohnhäusern und Gemeindeeinrichtungen in den Palästinensergebieten folge keinem nachvollziehbaren Muster. Das sei für die lokale Bevölkerung besonders zermürbend, da man nie wisse, „wer der Nächste ist, den es betrifft“. Die Stimmung war angespannt, während die Delegation in Ramallah mit Mitgliedern des Kabinetts von Ministerpräsident Mohammed Mustafa sprach. Im Stadtzentrum lief eine Razzia israelischer Soldaten. Es kam zu gewaltsamen Zusammenstößen.
Alabali Radovan hatte am Dienstagmorgen bereits ein Viertel in Ost-Jerusalem besucht, dessen arabische Bewohner sich von israelischen Siedlern drangsaliert fühlen. Palästinensische Familien erhalten in Al-Bustan laut Entwicklungsministerium kaum Genehmigungen, ihre Häuser zu renovieren oder zu erweitern. Nach Angaben von Anwohnern wurden seit Oktober 2023 hier von der Stadtverwaltung 33 Häuser abgerissen. Die Bundesregierung betone stets, dass die Siedlergewalt völkerrechtswidrig sei, sagte die Ministerin.
Auf ihrer Reise sprach die SPD-Politikerin in Ramallah auch mit Vertretern der palästinensischen Autonomiebehörde. Die palästinensische Ministerin für soziale Entwicklung, Samah Hamad, schaltete Gesprächspartner aus dem Gazastreifen zu, damit die deutsche Delegation aus erster Hand erfahren konnte, wie die Lage in dem abgeriegelten Küstenstreifen ist. Alabali Radovan sagte, die Bundesregierung habe modulare Unterkünfte für rund 400 Familien bestellt, die in den Gazastreifen gebracht werden sollen. „Wir wollen helfen, aus Trümmern wieder ein Zuhause zu machen.“
Deutschland stehe nach wie vor zur Zweistaatenlösung, erklärte Alabali Radovan. Laut Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) plant die Regierung jedoch weiterhin keine Anerkennung eines palästinensischen Staates. „Die Ereignisse der letzten Tage und Stunden haben an unserer Haltung in dieser Frage nichts geändert“, sagte Merz am Dienstag im Hinblick auf den scharf kritisierten israelischen Angriff auf das Nasser-Krankenhaus im Gazastreifen, der laut Armee einer von der Hamas installierten Überwachungskamera galt. „Wir sehen die Voraussetzungen für eine staatliche Anerkennung gegenwärtig in keiner Weise als erfüllt an“, fügte Merz hinzu.
Es gebe weder ein „Staatsvolk im eigentlichen Sinne“, noch ein anerkanntes Staatsgebiet oder eine „Staatsgewalt, die eine Regierung stellt, die allgemein anerkannt wird“, sagte Merz. „Gleichwohl, die israelische Regierung darf es nicht unmöglich machen, dass ein solcher Staat eines Tages entsteht.“ Die Ausweitung israelischer Siedlungen im Westjordanland etwa sei „offensichtlich darauf ausgerichtet, eine spätere Staatenbildung unmöglich zu machen“.