Essen/Lingen – Vor gut zwei Jahren wurden in Deutschland die letzten drei Atomkraftwerke endgültig abgeschaltet. Die Betreiberfirmen mussten danach laut Atomgesetz „unverzüglich“ mit dem Abbau beginnen – wie bei allen schon früher stillgelegten Atomkraftwerken auch. Wie kommt der sogenannte Rückbau mittlerweile voran? Wie lange wird es noch dauern? Und wer bezahlt das?
Wie viele Atomkraftwerke müssen noch abgerissen werden?
33. So viele Kernkraftwerke mit Leistungsreaktoren sind stillgelegt, sagt das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Die meisten befinden sich im Westen Deutschlands. Für alle Anlagen liegen die Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen vor.
Läuft der Rückbau schon?
Ja. „Seit dem Ausstieg aus der kommerziellen Nutzung der Kernenergie in Deutschland am 15. April 2023 ist der Rückbau aller Kernkraftwerke in Deutschland im vollen Gange“, teilt das BASE mit. Je nach Beginn der Maßnahmen ist der Rückbau unterschiedlich weit vorangeschritten.
Sind Reaktoren schon komplett zurückgebaut?
Ja, drei kleinere Anlagen. Darunter ist auch das Versuchs-Atomkraftwerk Kahl in Unterfranken in der Nähe von Aschaffenburg. Es war Deutschlands erstes kommerzielles Kernkraftwerk. Im November 1960 hatte es seinen Betrieb aufgenommen. 1985 wurde es abgeschaltet. Der Rückbau dauerte bis 2010.
Warum sind erst drei Anlagen abgebaut worden?
Weil man aus Sicherheitsgründen nicht mal eben so ein Atomkraftwerk abreißen kann. Laut Bundesumweltministerium veranschlagen die Betreiber für den Abbau in der Regel zehn bis fünfzehn Jahre bis zur Entlassung aus der sogenannten atomrechtlichen Überwachung. Getrödelt wird dabei laut Ministerium nicht: Die Betreiber kämen dem Gebot des Atomgesetzes zum unverzüglichen Abbau nach der Abschaltung „ordnungsgemäß“ nach, berichtet das Ministerium.
Welche AKWs verschwinden als Nächstes?
Einige Rückbauprojekte sind schon weit fortgeschritten, zum Beispiel die Kernkraftwerke Würgassen und Stade, wie das BASE berichtet. Stade etwa werde seit 2005 zurückgebaut. „Aktuell läuft die Phase 4, in der restliche kontaminierte Anlagenteile abgebaut und anschließend die Kontaminationsfreiheit nachgewiesen werden“, erklärt die Behörde. Der konventionelle Abbruch hat auch schon begonnen. Er soll bis Ende 2026 abgeschlossen sein.
Wer muss den Rückbau bezahlen und was kostet das Ganze?
Für Stilllegung, Rückbau und fachgerechte Verpackung der radioaktiven Abfälle etwa in Spezialbehältern sind in Westdeutschland die Betreiberfirmen der Kraftwerke zuständig. Die Zwischen- und Endlagerung übernimmt der Bund. Die Stromkonzerne haben dazu Milliardenbeträge in einen Fonds eingezahlt.
Beim Rückbau rechnen Behörden und Betreiber mit rund einer Milliarde Euro pro Reaktorblock. Es können aber auch deutlich mehr sein. So hat der Energiekonzern RWE nach eigenen Angaben für den Rückbau des Kraftwerks Emsland derzeit Rücklagen in Höhe von 1,37 Milliarden Euro gebildet.