Noch ist Sommerpause: Im September geht es für Sebastian Roloff (42, SPD) zurück in den Bundestag. © Stephan Rumpf/SZ/PA
München – Der Münchner Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff ist wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Als unsere Zeitung ihn am Dienstag für dieses Interview anruft, ist er gerade auf dem Heimweg von einer Delegationsreise nach Kiew. Ein Gespräch über den Krieg und die knirschende Koalition.
Hallo, Herr Roloff, wo erwische ich Sie gerade?
Ich bin jetzt nach gut 16 Stunden Zugfahrt durch die Ukraine und Polen am Warschauer Flughafen angekommen, von wo aus ich nach München weiterfliege.
Sie waren gerade in Kiew. Stand das in Verbindung mit der Reise von SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil, der am Montag ebenfalls dort war?
Nein, das war Zufall. Ich war dort mit einer Gruppe von Parlamentariern aus der gesamten EU aus Anlass des ukrainischen Unabhängigkeitstages.
Wie war Ihr Eindruck?
Zwiegespalten. Wenn man durch die Stadt läuft, merkt man zunächst wenig vom Krieg. Sobald aber die Sirenen zum Luftalarm ansetzen, wird man schnell daran erinnert. Zudem haben wir einer Ehrung für gefallene Soldaten beigewohnt. Wenn ein Achtjähriger den Orden für seinen gefallenen Vater entgegennehmen muss, ist das schon sehr bewegend. Man spürt auch, wie fragil Freiheit ist – wenn die Ukraine fallen sollte, eines Tages vielleicht auch unsere.
Sie haben auch Präsident Wolodymyr Selenskyj getroffen. Welchen Eindruck macht er auf Sie?
Ich habe ihn schon öfter erlebt. Er sah diesmal wirklich sehr abgekämpft und müde aus, aber er war gleichzeitig auch zuversichtlicher, als ich ihn schon erlebt habe. Und er wirkt absolut entschlossen und hat klargemacht, dass er, was die viel diskutierten Sicherheitsgarantien betrifft, sehr konkrete Vorstellungen hat.
Nach der Sommerpause geht es für Sie zurück nach Berlin. Bei Steuern und Sozialreformen haben sich Union und SPD verhakt. Ist der Konflikt lösbar?
Es braucht tatsächlich einen kleinen Neustart. Und damit meine ich nicht nur eine Klausur oder das gemeinsame Grillfest von SPD- und Unionsabgeordneten im September. Wir brauchen jetzt wirklich einen verlässlichen politischen Auftakt nach der Sommerpause und müssen zeitnah offene Themen abräumen und zur Zufriedenheit der Menschen erledigen. Gerade in der Steuerpolitik und bei der Sicherung des Sozialstaats haben wir uns einiges vorgenommen. Unser gemeinsames Ziel ist es, kleine und mittlere Einkommen, aber auch Unternehmen zu entlasten. Ich glaube, im Gegenzug könnten Spitzenverdiener ab 20 000 Euro im Monat ein wenig stärker in die Pflicht genommen werden. Und bei der Erbschaftssteuer gibt es schon lange Reformbedarf.
CSU-Chef Söder sagte gerade „No way“. Sehen Sie trotzdem Bereitschaft in der Union zu Steuererhöhungen?
Die Union insgesamt hat das jedenfalls nicht kategorisch ausgeschlossen. Und nach der Wahl haben sich CDU und CSU in einigen Punkten wie der Schuldenbremse auch sehr schnell sehr weit bewegt. Auch wenn ich natürlich verstehe, dass das nicht leicht ist.
Was ist die SPD denn im Gegenzug bereit, in puncto Sozialstaatsreformen zu geben?
Ein Sozialabbau ist mit der SPD nicht zu machen. Aber wir müssen Geld einsparen, indem wir effizienter werden. Etwa durch die Krankenhausreform, oder auch eine Neustrukturierung der ärztlichen Versorgung.
Die Union dürfte eher ans Bürgergeld denken.
Da sehe ich wenig Spielraum, besonders nicht beim Regelsatz von derzeit 563 Euro. Auch Ansätze wie der einer pauschalen Zuweisung für Mietkosten, statt die tatsächliche Miete zu übernehmen, halte ich für absurd. Das würde in der Praxis bedeuten, dass viele in eine andere Stadt ziehen müssten.
Rentenalter?
Ich finde es richtig, Anreize zu setzen, damit Leute freiwillig länger arbeiten. Aber insgesamt glaube ich, dass unterschätzt wird, wie die Produktivität gestiegen ist und sich die Erwerbstätigkeit entwickelt hat. Die Rechnung, dass heute mehr Beitragszahler einen Rentner finanzieren müssen als früher, greift deshalb zu kurz.
Wie steht es mit der sogenannten Rente mit 63?
Auch da sehe ich keinen Handlungsbedarf, zumal es sich faktisch bereits um eine Rente ab 64 handelt und wir absehbar bei 65 sein werden. Die Rente für besonders langjährig Versicherte wurde aus guten Gründen für Menschen eingeführt, die 45 Jahre eingezahlt haben. Von „spätrömischer Dekadenz“ sind wir da weit entfernt.
Das klingt aber alles nicht so sehr kompromissbereit.
Wir können natürlich nicht alles ausschließen und nur sagen, die anderen müssen sich bewegen. Ich glaube: Wenn es konkret wird, können wir tragfähige Kompromisse finden. Klar ist aber auch, dass es mit der SPD keine Sozialkürzungen geben wird.